1. Karl Martell und Pipin der Kurze.
47
mählich ganz Nordafrika erobert und waren von hier über die Meer
enge von Gibraltar nach Spanien hinübergekommen, wo sie das
Westgotenreich 711 gestürzt hatten. Jetzt galt ihr Angriff unter
Anführung Abderrahmans dem Frankenreiche. Sie hatten be
reits die Pyrenäen überschritten und einen großen Teil des südlichen
Galliens erobert. Ähnlich, wie einst die Hunnen, verbreiteten sie
Schrecken und Verwüstung, wohin sie kamen; seit Alarichs Zeiten
hatte das Abendland keine so große Gefahr gesehen. Da bot der
Majordomus Karl die fränkischen Lehnsträger zum Kampfe gegen
die Eindringlinge auf und stellte sich ihnen bei Tours und Poitiers
732 gegenüber. Es kam zu einer Schlacht von ähnlicher Bedeutung
wie diejenige auf den catalaunischen Feldern; wie hier der Ent
scheidungskampf zwischen heidnischer Barbarei und christlicher Ge
sittung geschlagen war, so sollte jetzt entschieden werden, ob fortan
der Islam oder das Evangelium im Abendlande herrschen sollte.
Sieben Tage lang dauerte das Ringen; endlich behauptete Karl,
den man seitdem Martell (d. i. Hammer) nannte, den Sieg; er
trieb die Araber über die Pyrenäen zurück.
Nach Karls Tode übernahm sein Sohn Pisiin der Kurze die
Allah, dem höchsten Gott, geoffenbart, daß dieser ihn zu seinem Propheten
nusersehen habe. Anfangs fand er nur wenig Anhänger; er mußte sogar vor
den Verfolgungen seiner Gegner aus seiner Vaterstadt nach Medina fliehen.
Mit dieser Flucht (Hedschra) im Jahre 022 beginnen die Muhamedaner
ihre Zeitrechnung. In Medina mehrte sich Muhameds Anhang. Bald konnte
er als Sieger in Mekka einziehen, und nun unterwarf sich in kurzer Zeit ganz
Arabien der neuen Lehre, dem Islam (Ergebung in Gottes Willen). Das
heilige Buch des Islam ist der Koran, welcher in 114 Psalmen oder Suren
eingeteilt wird. Der oberste Glaubenssatz heißt: Allah ist Gott, und Muha-
wed ist sein Prophet. Über jeden Menschen waltet ein unabänderliches Ge
schick, das Fatum; die heiligste Pflicht der Bekenner des Islam, der Mos
lemin oder Muselmänner (Gläubigen), ist, für ihre Lehre mit Feuer und
Schwert zu kämpfen; wer in diesem Kampfe fällt, dem sind die ewigen Freuden
des Paradieses, das Muhamed als einen Ort aller sinnlichen Freuden
ausmalte, gewiß. Die Vorschriften über den äußeren Gottesdienst lehnten sich
an die alten Gebräuche des Morgenlandes an. An dem heiligen Wochentag,
dem Freitag, versammeln sich die Gläubigen in der Moschee, von deren
Zinnen die Derwische zu bestimmten Tagesstunden zum Gebet rufen. Die
Beschneidung, sowie die Vielweiberei wurden eingeführt, dagegen der Genuß
des Schweinefleisches und des Weines verboten. Gute Werke, Fasten, Beten
und Almosengeben, wurden als Gott wohlgefällig besonders gepriesen. — Nach
Muhameds Tode setzten seine Nachfolger, die Kalifen, die Ausbreitung des
Islam fort. In raschem Siegesläufe unterwarfen sie Ägypten, Syrien,
Persien, Nordafrika und setzten von hier unter Tarik 711 nach Spanien
hinüber, wo sie sich der Felsenhöhe an der Meerenge bemächtigten und eine
Stadt gründeten, die nach dem Eroberer den Namen Gibraltar (Gabel al
Tarik, d. i. Felsen des Tarik) erhielt. Von hier aus unterjochten sie ganz
Spanien, nachdem sie die Westgoten in der blutigen Schlacht bei Xeres de
la Frontera besiegt hatten.