1. Wiederaufrichtung u. Verfassung des neuen Deutschen Reiches. 317
der allgemeinen Wehrpflicht wird mit 150 bis 3000 Mark oder mit
Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahre bestraft. Die
Zeit, während welcher man dem Heere als aktiver Soldat angehört,
ist auf drei Jahre festgesetzt; sbei guter Führung tritt gewöhnlich
die Entlassung etwas früher ein. Wer die nötige Schulbildung
nachzuweisen vermag und seine Verpflegung als Soldat selbst be
streiten will, kann mit einem Jahre seiner Militärpflicht ge
nügen. An die aktive Dienstzeit schließt sich diejenige der Reserve
(4 Jahre), der Landwehr ersten und zweiten Aufgebots (5 resp.
7 Jahre) und des Landsturms, die bis zum vollendeten 45. Lebens
jahr dauert, an, sodaß im Kriegsfall nahezu 4 Millionen Truppen
zur Verfügung stehen. Der Landsturm ist ebenfalls in zwei Auf
gebote eingeteilt, von denen das eine die Mannschaften, welche ihrer
Militärpflicht in der Landwehr II genügt haben, sowie die nicht
gedienten Leute im Alter von 17—39 Jahren, das zweite alle
Wehrfähigen von 39—45 Jahren umfaßt.
Diesen Pflichten nun stehen bedeutende Rechte und Freiheiten
gegenüber. Die Leibeigenschaft ist aufgehoben; keiner darf einen
andern seiner persönlichen Freiheit oder seines Eigentums berauben,
es sei denn, daß er auf Grund einer strafbaren Handlung gericht
lich in Hast genommen werde. Jeder Deutsche kann sich nieder
lassen, wo er will, und überall Grundbesitz erwerben (Freizügig
keit). Nur Personen, die infolge eines Vergehens unter polizei
licher Aufsicht stehen, sowie Landstreichern und Ausländern kann der
Aufenthalt an bestimmten Örtern oder im Reiche überhaupt ver
boten werden. Die Auswanderung ins Ausland ist jederzeit ge
stattet; nur bei den Wehrpflichtigen im Alter von 17 bis 25 Jahren
und bei den zum aktiven Dienst einberufenen Reservisten und Land
wehrleuten kann die Auswanderung beanstandet werden. Ein jeder
hat volle Freiheit in der Wahl des Berufes und das Recht, gegen
eine gewisse Steuer sein Gewerbe überall auszuüben (Gewerbe-
freiheit). Ferner wird niemand wegen seiner Religion oder Kon
fession mehr verfolgt (Religionsfreiheit). Jeder ist im Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte, der nicht infolge strafbarer Handlungen
dieselben durch richterliches Urteil verloren hat. Die Folge der Ab
erkennung der Ehrenrechte sind die Unfähigkeit, in das Reichsheer
oder die Marine einzutreten, öffentliche Ämter und Würden zu be
kleiden, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen oder gewählt zu
werden. Jeder Deutsche darf seine Meinung durch Schrift und Druck
äußern, insofern dieselbe nicht einen Ungehorsam gegen Gesetz und
Obrigkeit, Gotteslästerung oder Unsittlichkeit enthält (Preßfrei
heit). Jeder Unterthan hat das Recht, die Behörde zum Schutz
anzurufen, wenn sein Eigentum, seine Ehre oder seine Freiheit
angetastet wird. In gewöhnlichen Rechtsstreitigkeiten bis zu 300 Mark