Full text: Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente für die Oberstufe mehrklassiger Volks- und Mittelschulen

2. Die alten Germanen. 
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Lebenlang, wer den Anführer im Kampfe überlebte. Dagegen war 
der Schlachtentod die Gewähr, in Walhall einzugehen. _ 
Die Heeresverfassung der alten Germanen hing mit ihren Standes 
verhältnissen eng zusammen. Das ganze Volk war ursprünglich in 
Freie und Unfreie geteilt, und jeder dieser beiden Stände zerfiel 
wieder in zwei Abteilungen, nämlich die Freien in Edelin ge und 
Gemeinfreie, die Unfreien in zins- und dienstpflichtige Hörige 
(Liten) und in leibeigene Schalke (altd. sealh = Knecht). Letztere 
TDaren ursprünglich aus Kriegsgefangenen gebildet und nicht höher 
geachtet als Tiere oder Sachen, sodaß es kein Unrecht war, sie zu 
mißhandeln oder gar zu töten. Doch haben wir bestimmte Beweise, 
daß die Behandlung der Leibeigenen bei den alten Deutschen eine 
viel menschlichere war als diejenige der Sklaven bei den übrigen 
Nationen, etwa bei den Römern. Dies geht schon daraus hervor, 
daß die Kinder der Freien mit denen der Leibeigenen zusammen im 
Hause aufwuchsen. Erst bei der Wehrhaftmachung^ trat die Schei 
dung ein. Der Leibeigene verrichtete im Hause des Freien die niedri 
gen Arbeiten; er bebaute den Acker und verfertigte die Gerätschaften, 
so daß die Leibeigenen als die ersten deutschen Handwerker anzusehen 
sind. Die Hörigen waren'an das ihnen zur Bebauung über 
tragene Stück Land gebunden, von welchem sie eine Abgabe (Feod) 
zahlen mußten, und konnten nur mit diesem Gut verkauft werden. 
Waffen tragen und in den Volksversammlungen erscheinen durften 
nur die Freien; sie bildeten das eigentliche Volk. Sie sowohl, 
wie die Edelinqe hatten das Vorrecht, daß ihnen ein nach dem 
Recht der Erstgeburt vererbbares Grundstück (Allod) übertragen 
werden konnte. Die besonderen Vorrechte der Edelinge waren nur 
gering. Eigentlich bestanden sie bloß darin, daß aus dem Kreise 
der edlen Geschlechter die Häuptlinge hervorgingen und die Gefolg 
schaften der Fürsten sich zusammensetzten. Edelinge und Gemeinfreie 
vermischten sich oft durch wechselseitige Verehelichung; dagegen war 
die Heirat zwischen Freien und Unfreien untersagt. Der Freie 
wurde durch eine solche Ehe selbst Knecht; der Sklave dagegen, der 
eine Freie zu heiraten wagte, verfiel dem Tode. Für die Freien 
stand die Todesstrafe nur auf Fürstenmord und Landesverrat. Alle 
anderen Vergehen wurden durch ein Werg eld an Vieh oder an 
derem Gut gestraft. Bei der Abschätzung des Wergeldes wurde auf 
den Stand und das Ansehen des Gekränkten Rücksicht genommen. 
Wer z. B. Häuptlinge, Edle oder Freie kränkte, mußte seine Schuld 
um das Doppelte und Dreifache an Waffen oder Vieh büßen, als 
wer Unfreie oder Leibeigene beleidigt hatte; ein Weib mußte mehr 
zahlen als ein Mann, und am meisten, wer den freien Mann in 
seinem Allod oder gar auf der heiligen Mahlstätte gekränkt hatte. 
Die kleinste Vereinigung von Freien war die Ortsgemeinde
	        
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