Full text: Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente für die Oberstufe mehrklassiger Volks- und Mittelschulen

118 II. Das Mittelalter. E. Das erste Interregnum. 
Weber, Schmiede, Zimmerer, Zinngießer, Böttcher, Büchsenmacher, 
Sattler rc- Jede Zunft hatte ihr eigenes Versammlungslokal, 
meistens ein eigenes Haus, das mit dem Wahrzeichen des betreffen 
den Handwerks, einem Hammer bei den Schmieden, einer Brezel 
bei den Bäckern rc., geziert war. Hier versammelten sich die Zunft 
genossen zu bestimmten Zeiten unter dem Vorsitz des Zunft- - 
Meisters. Vielfach wurden bei außerordentlichen Veranlassungen 
die Zunftgenossen am Vormittage zusammengerufen, um von dem 
Zunftmeister eine Mitteilung zu empfangen; eine solche Versamm 
lung hieß Morgensprache. Die Gesetze der Zunft wurden in 
einer Truhe, Lade genannt, aufbewahrt und trugen als Bestätigung 
nicht selten die Unterschrift fürstlicher Persönlichkeiten. 
Die Zünfte hielten darauf, daß die Genossen streng über ihre 
Ehre wachten; ehrlose Mitglieder konnten ausgestoßen werden. Zur 
Ehrenhaftigkeit gehörte besonders, daß man sich fern hielt von Aus 
schreitungen gegen die Zunftgesetze, sowie von schlechten, mangel 
haften Arbeiten und von Betrügereien. Darum waren z. B. die Älter 
meister der Zinngießerzunft eidlich verpflichtet, drei- bis viermal im 
Jahre in alle Werkstätten und Kaufläden der Zinngießer zu gehen, 
das verarbeitete Zinn zu prüfen und, wenn sie fanden, daß ein 
Stück verwahrlost war, dasselbe zu zerschlagen. Außerdem über 
wachte die Zunft die Zahl der Gesellen und Lehrlinge, die jeder 
Zunftmeister halten durfte, und sah strenge darauf, daß nicht Söhne 
von sog. „unehrlichen Leuten" als Lehrlinge in das Handwerk auf 
genommen wurden. Durch diese strenge gegenseitige Überwachung 
haben die Zünfte viel dazu beigetragen, Ehrbarkeit und gute Sitte' 
aufrecht zu erhalten. 
Wenn ein Geselle sich als Meister in der Stadt niederlassen 
wollte, so mußte er zunächst ein „Meisterstück" anfertigen, wo 
mit er nachweisen sollte, daß er sein Handwerk verstehe. Darauf 
hatte er ein Jahr zu warten (zu „muten", darum „Mut-" oder 
Probejahr) und wurde, falls er würdig befunden war, gegen 
eine bestimmte Abgabe an die Zunftkasse feierlichst in die Innung 
aufgenommen. Dadurch wollte man der Überzahl der Zunftmeister 
vorbeugen. 
Die' Zunftgenossen hielten eng zusammen; vielfach wohnten 
sie in einer Straße bei einander, woher noch viele Straßennamen 
stammen, wie Schuhmacherstrabe, Müllcrgasse, Schmiedegang rc. In 
ihrem Gildehause wurden Feiertage, Zunft- und Familienfeste ge 
meinsam begangen; hier kamen die ehrbaren Handwerksmeister abends 
zum geselligen Trunk zusammen; hier berieten sie gemeinsame An 
gelegenheiten. Die Zünfte halfen das Band der Zusammengehörig 
keit und der Eintracht pflegen. Leid und Freude trugen sie gemein 
sam ; die Meister einer Zunft führten die Tochter des Genossen dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.