Full text: Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente für die Oberstufe mehrklassiger Volks- und Mittelschulen

2. Das Städtewesen. 
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lebenslustige Junker, der die Stille seines Landsitzes auf einige Tage 
wit den geräuschvollen Lustbarkeiten der Stadt vertauschte. Be 
sonders die süddeutschen Herrenhäuser zeichneten sich durch ihre 
Trinkhalle aus. In den Häusern der hanseatischen Handelsherren 
war die große Halle, die „Diele", Warenlager und Geschäftsraum, 
wo gewogen, gepackt, gekauft und verkauft wurde. 
Die große Masse der Bürgerwohnungen bestand aus „Baum 
häusern", die ähnlich den Blockhäusern ganz oder wenigstens zum 
größten Teil aus Holz bestanden, und deren Schindel- oder Stroh- 
bacher nach rechts und links steil abfielen. Zwischen je zwei Häu- 
Wrn war in der Regel ein schmaler Raum leer gelassen, in den sich 
ber Abfluß der Wassersteine ergoß. Wer Vermögen besaß und seinen 
guten Geschmack zeigen wollte, suchte auch sein hölzernes Haus 
schmucker und zierlicher herzustellen, namentlich kam mehr und mehr 
b>e Sitte auf, die vorstehenden Balkenkopfe mit Schnitzwerk und 
Zuschriften zu verzieren. Gewerbthätige Städte erhielten dadurch ein 
freundlicheres Ansehen. 
Bei dem vorherrschenden Holzbau mußten Feuersbrünste in 
Ärmlich bedrohlicher Weise auftreten. Wehe der Stadt, wenn unter 
ben Lauben ein Feuer aufging und ein Luftzug die Flammen nach 
bsu am dichtesten bevölkerten Vierteln hinlenkte! Blitzschnell schlug'Z/^^ 
bw Lohe über dem dürren Wandgebälk und dem Schindeldache des 
Hauses zusammen; blitzschnell sprang sie von dem Erker über die 
enge Straße hinüber auf die andere Seite; unaufhaltsam flog sie die 
Häuserreihe hinunter, drang in die Getreidespeicher und Warenlager, 
bis sie endlich an der Stadtmauer ihr Ziel fand. Niemand konnte 
baran denken zu löschen. Wenn ^die Feuerglocke ertönte, suchte jeder 
bas eigene Leben und das der Seinigen zu retten. Besonders sin 
ber Nacht mag die Verwirrung und die Not eine grausige Höhe 
erreicht haben. 
Alle deutschen Städte haben von derartigen Feuersbrünsten zu 
berichten und nicht einmal, sondern wiederholt, oft drei-, viermal in 
«nein Jahrhundert. Schon 1152 brannte Regensburg einmal 
fast ganz nieder; ganze Stadtviertel und die meisten Kirchen lagen 
l n Asche; die Einwohner waren auf das Feld entflohen. In dem- 
selben Jahrhundert hatte die Stadt noch zwei ähnliche Brände aus 
zuhalten; dies würde kaum möglich gewesen sein, wenn die Holz 
häuser nicht beinahe ebenso schnell wieder aufgebaut worden wären, 
wie sie weabrannten. Lübeck erlitt im 13. Jahrhundert die 
größten Brände; das eine Mal soll cs bis auf fünf Häuser nieder 
gebrannt sein, das andere Mal zur Hälfte. Nicht selten war das 
Feuer angelegt; die Feinde hatten es „angestoßen" oder arme Leute 
gedungen, die es für sie thaten. Man verfolgte die Brandstifter 
wit unnachsichtiger Strenge. Schon wer Brandzettel anhängte,
	        
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