Full text: Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente für die Oberstufe mehrklassiger Volks- und Mittelschulen

1. Die Zustände im Deutschen Reich. 
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Herr nahm freilich wieder Rache an den Besitzungen und den Unter 
gebenen seines Feindes. Aber was gewannen dadurch die „armen 
Leute" ? Ebenso waren die Fehden dem Handel und der Sicherheit 
der Städte ungemein nachteilig, zumal die unbedeutendste Beleidi 
gung, die nichtigste Veranlassung Grund zur Fehde gab. So schickte 
rin Herr von Braunheim der Stadt Frankfurt einen Absagebrief, 
weil eine Frankfurterin auf einem Balle seinem Vetter einen Tanz 
versagt hatte, wofür die Stadt ihm Genugthuung verweigerte! 
Der Adel aber suchte allmählich in der Fehde reichen Erwerb. 
Denn Raub, in gehöriger Fehde an Gegnern und ihren Angehörigen 
^gangen, war erlaubt und verunehrte niemand. So ist das Fehde 
recht der Entwickelung des Raubritterwesens förderlich gewesen. 
Es kam hinzu, daß das Rittertum von seiner Höhe, die es unter 
den Hohenstaufen eingenommen hatte, allmählich herabsank. Die 
seine, höfische Sitte, wie man sie in der Blütezeit des Rittertums 
gepflegt hatte, wurde nur wenig mehr geübt; die Rittergelübde wurden 
nur selten noch gehalten. Die ritterlichen Spiele entarteten; die 
Zerstreuungen auf den Burgen wurden wilder. An Stelle des er 
freuenden Sängers trat der possenreißende „Narr", an dessen groben 
Späßen und rohen Witzen selbst die Fürstenhöfe Gefallen fanden, 
so daß bald der in bunte Tracht gekleidete, mit der Schellenkappe 
und dem Narrenkolben versehene „Hofnarr" die ständige Unterhaltung 
der Höfe bildete. Ansehen und Besitz der Ritter schwanden immer 
wehr, seitdem die Städte in Aufschwung kamen und die Sammel 
plätze des Reichtums und des Wohlstandes wurden, mit denen sich 
die meisten Adeligen auf ihren ärmlichen Burgen nicht messen könn 
ten. So entwickelte sich schon frühzeitig eine Kluft zwischen Bürger 
und Rittertum, und diese Trennung wurde größer durch die An 
wendung des Fehderechts. Es deuchte keinem unehrlich und schimpf 
lich, die reichen Städte um ihres Besitzes willen aus geringer Ursache 
Zu befehden. Die gewöhnlichste und älteste Art des Raubens bestand 
in dem gewaltsamen Eindringen in die Städte, um daselbst frevel 
haft zu plündern und zu morden, oder man überfiel von den festen. 
Jürgen aus, die an den belebtesten Handels- und Verkehrsstraßen 
in Menge vorhanden waren, die reisenden Kaufleute und Handels- 
Züge, die freilich meistens durch zahlreiche Bewaffnete gedeckt waren, 
so daß die Räuber von mehreren Burgen sich zusammenthun mußten, 
um sie mit Erfolg angreifen zu können. Durch einen plötzlichen 
Überfall suchten sie den Fug zu verwirren; sie warfen die Mann 
schaft nieder, schlugen Kisten und Kasten ein und raubten alles. 
Wer Widerstand leistete, wurde erschossen, erstochen oder zusammen 
gehauen. Ließ sich erwarten, daß die Gefangenen durch ein be 
deutendes Lösegeld sich loskaufen konnten, so wurden sie von den 
adeligen Räubern auf eine Burg geschleppt, und es wurde ihnen
	        
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