Full text: Leitfaden für den Unterricht in der deutschen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Momente für die Oberstufe mehrklassiger Volks- und Mittelschulen

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II. Das Mittelalter. E. Das erste Interregnum. 
E. Aas erste Interregnum. 
1. Zustände im Deutschen Reich. Der Verfall des 
Rittertums. Die Femgerichte. 
Unter den Hohenstaufen, die größtenteils in Italien für den 
Glanz ihres Hauses gekämpft hatten, vollendete sich die innere Aus 
lösung des Reiches. Unter den sächsischen Kaisern waren die großen 
Lehen, die Herzogtümer, beim Ausgang der fränkischen Kaiser 
alle, auch die kleinen, erblich geworden. Beim Untergang des 
hohenstaufischen Hauses waren diese Lehen selbständige Für 
stentümer. Die Fürsten, in der Blütezeit des Reiches nur Va 
sallen und Beamte des Kaisers, bildeten die Reichsstände, unter ' 
denen diejenigen, auf welche allmählich das Recht, den deutschen 
König zu wählen, überging, hie vornehmsten waren. Durch be 
sondere Wahlkapitulationen ließen sie sich bei jeder neuen 
Wahl neue Rechte und Vorteile sichern. Hierdurch, sowie durch die 
sonstige Verschleuderung der kaiserlichen Einkünfte und Krongüter 
um der italienischen Kriegszüge willen und zur Besiegung der 
Gegenkönige war die Macht und das Ansehen des Kaisers so sehr 
gesunken, daß kein deutscher Fürst Verlangen nach der Krone trug. 
Als der junge König Wilhelm von Holland 1256 gestorben 
war, blieb das Reich 17 Jahre lang ohne Oberhaupt. Man nennt 
diese Zeit das Interregnum (Zwischenreich) 1256—1273. Zwar 
wurde die Krone zweimal an ausländische Fürsten vergeben, die 
um des Titels willen sich die Stimmen einzelner Fürsten erkauft 
hatten; es waren Richard von Cornwallis, der Bruder des eng 
lischen Königs, und Alfons der Weise von Castilien. Letzterer 
kam nie nach Deutschland; ersterer fuhr einige Male den Rhein 
hinauf, verschenkte Königsrechte in Menge und zog, ohne Aner 
kennung zu finden, wieder heim. 
Alle Bande der Zucht und Ordnung lösten sich in dieser 
„kaiserlosen, schrecklichen Zeit". Richt allein, daß die Reichsstände 
untereinander in Fehde lagen; jeder Ritter auf seiner Burg nahm 
trotz des oft erneuerten Landfriedens, der die Selbsthilfe des Ein 
zelnen verbot, das Fehderecht für sich in Anspruch. Jeder suchte 
sein Recht mit der Faust; es war die Zeit des Faustrechts. 
Natürlich waren die Fehden schließlich nur ein Vorwand, ungestraft 
rauben und plündern zu können. 
Die Fehde begann gewöhnlich mit der ausdrücklich erlaubten 
Zerstörung der Besitzungen des Gegners, seiner Schutzpflichtigen 
und Hörigen. So war es denn selbstverständlich, daß der arme 
Landmann zunächst für die Schuld seines Herrn büßen mußte. Der
	        
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