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anhält. Doch ist dies schwer zu erreichen. Er selbst beobachtete
in 2 Fällen trotz sehr vorsichtiger Injeetion vollständige Para
lysen, von denen unter electrischer Behandlung die eine in 2Vs
Monaten, die andere in 4‘/a Monaten ausheilte. Schlösser
glaubt, dass die durch Alkohol hervorgerufene Facialisparalyse
sich ebenso verhält wie eine mittelschwere Facialislähmung- aus
anderen Ursachen, und dass ihre Wiederherstellung nach 3 bis
4-monatlicher Behandlung sicher zu erwarten stehe. Zu seinen
Injectionen empfiehlt Schlösser für die Behandlung rein mo
torischer Nerven 70 % Alkohol, bei den sensiblen und dem Ischia-
dicus 80% Alkohol. Er injiciert in jeder Sitzung- 0,2-1,0. Die
verschieden starke Concentration des Alkohols empfiehlt er, „weil
nach seinen Erwägungen eine eventuelle Lähmung- eines sen
siblen Nerven weniger geniert als die eines motorischen und
deshalb mehr riskiert werden kann.“
Leber seine Erfolge mit Alkoholinjektionen in der Neuralgie-
behandlung berichtet Schlösser 1 ) aut dem Kongress für
innere Medizin, Wiesbaden 1907. Er behandelte unter vielen
anderen Neuralgien 123 Trigeminusneuralgien, in denen die Dauer
bis zum Auftritt des Recidivs im Durchschnitt 10,2 Monate be
trug. Von 38 Ischiaställen blieben 36 bis jetzt ohne Recidiv,
während es bei zwei Fällen nach 3 —6 Monaten auftrat.
Fast dasselbe Verfahren wie Schlösser schlug- Ost
walt 2 ) in Paris bei der Behandlung- der Neuralgien ein. Er
setzt nur zum Alkohol 0,01g" Cocain oder Stova'in. Doch scheint
dies nach Schlossers * * 8 ) Meinung- keine grosse Verbesserung
seiner Methode zu sein, da O s t w a 11 nur 90 % Heilungen zu
verzeichnen habe, während bei ihm selbst keine eigentliche Neu
ralgie ungeheilt die Klinik verlasse. Diese Differenz schiebt er
auf die Schwierigkeit des V erfahrens. Schlösser warnt auch
selbst davor, seine Methode anzuwenden, ohne sie bei ihm gründ
lich erlernt zu haben und bevor nicht seine ausführlichen Ver-
öffentlichung-en über dieselbe erschienen seien, da sonst manche
Aerzte sicher grosse Misserfolge mit derselben haben würden.
Fast alle diese differenten Injectionsmittel
zeigten bei ihrer Anwendung-, wie bereits erwähnt, schädliche
Nebenwirkungen, wie Lähmungen oder schwere Entzündungs-
erscheinungen. Dies gewann besonders in neuerer Zeit grosse
Bedeutung, seitdem der Arzt nach dem Haftpflichtgesetz für jeden
etwaigen Schaden, der nachweislich durch seine Behandlung- ver
ursacht ist, haftbar gemacht werden kann. Deshalb musste der
Ungeübte desto mehr auf diese Behandlungsmethode verzichten,
solange es nicht ein Injectionsmittel gab, das selbst in seiner
*) Münchener ined. Wochenschrift 1907, S. 903.
2 ) Berl. klin. Wochenschrift 190(5, Nr. 1.
8 ) Herl. klin. Wochenschrift 1906, Nr. 3.