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mit Rücksicht auf das Alter der Patientin der ursprüng
liche Verband gelöst wurde, bemerkte man die oben be
schriebenen Veränderungen und schritt sofort zur Amputatio
femoris supracondylica. Der weitere Krankheitsverlauf
bestätigte denn auch die Richtigkeit dieser Maßnahmen.
Die an der Greifswalder chirurgischen Klinik unter
der Leitung von Geheimrat Prof. Dr. Helfe rieh befolgte
Behandlungsmethode nicht demarkierter gangränöser und
fortschreitender septischer Prozesse erwies sich nach dem
Verlauf zahlreicher Fälle, die in der Dissertation von Wolff
im Jahre 1890 einer eingehenden Besprechung unterzogen
wurden, als durchaus rationell. Der Hauptwert wurde
darauf gelegt, im Gesunden zu amputieren, wenn eine
konservative Behandlung als ausgeschlossen zu betrachten
war, und der früher gültige Satz, daß je höher die Am
putation, desto größer die Gefahr für das Leben sei, hat
seit dieser Zeit nur noch ein historisches Interesse. Die
Methode des Weichteilschnittes, auf welche früher großes
Gewicht gelegt wurde, gilt jetzt als außerordentlich neben
sächlich. Denn es kommt ja nicht darauf an, ob später
der Lappen zur Bedeckung ausreicht, ob später eine ad-
haerente Narbe zurückbleibt, der Hauptwert ist einzig
darauf zu legen, daß aseptische und gesunde Wundver
hältnisse vorliegen, denn nur hiervon ist es abhängig, ob
der Eingriff die erstrebte Heilung herbeiführen wird.
Helferich wählte der Einfachheit halber den Zirkel
schnitt. Nach Absetzung des Gliedes schritt man zur Unter
bindung der Gefäße, die Nerven wurden herausgezogen
und reseziert, um die Bildung späterer schmerzhafter Am
putationsneurome zu verhüten. Nach der Entfernung der
Esmarch’schen Blutleere werden die noch blutenden Ge
fäße unterbunden und die noch bleibende parenchymatöse
Blutung durch Kompression gestillt. War die Wunde
nicht mit Sicherheit aseptisch, so wurde auf die Naht ver
zichtet und erst genäht, nachdem sich die Wunde gereinigt