W enn wir die ältere Litteratur über Krankheiten des Gehirns
durchsehen, fällt uns auf, wie wenig die damalige Zeit es ver
mochte, die verschiedenen Arten der Gehirnerkrankungen in ein
geordnetes System zu bringen; und dieses darf uns nicht wunder
nehmen, da das Studium der Entzündung am Nervensystem zu
einem der schwierigsten Gebiete der Pathologie gehört.
Erst Virchows berühmte Arbeit über Thrombose und Embolie
brachte einen merklichen Umschwung in der Auffassung der Ge
hirnkrankheiten mit sich. Durch seine Lehre war es erst mög
lich einen grossen Teil der Herderkrankungen des Gehirns auf
seine rechte Bedeutung zurückzuführen. Aus dieser Zeit stammen
auch viele vortreffliche zum Teil recht gründlich beabeitete Mono
graphien über den Hirnabscess. Erwähnt seien an dieser Stelle
die Arbeiten von Toynbee (1856), von Lebert (1856), und von
Biermer (1867), ferner die etwas später erschienene bedeutende
Arbeit von Huguenin (1876), die allle an einem grossen Kranken
material die Grundzüge dieses Leidens ausbauten. Allen diesen
Arbeiten jedoch haftet der Mangel an, dass von dem Hirnabscess
eine ganz andersartige Erkrankung, nämlich die Encephalitis non
suppurativa nicht scharf getrennt wurde. In dieser Beziehung
haben, wenn auch Wernicke schon vorher viel bestimmter die
beiden genannten Krankheiten auseinandergehalten hat, erst die
letzten Dezennien Wandel geschaffen; und zwar sind es nament
lich die Fortschritte auf dem Gebiete der Diagnostik und die