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ein eigentümliches Gepräge. Gefragt, macht er eine Pause, starrt
träumerisch ins Leere, und gerade, wenn der Fragesteller, in dem
Glauben, dass der Kranke die Frage nicht vernommen oder ver
standen habe, im Begriff ist, die Frage zu wiederholen, da ant
wortet der Kranke, zwar richtig, aber nur zögernd und kurz. In
einem späteren Stadium werden die Antworten nur noch unvoll
ständig oder unzulänglich gegeben, und es macht den Eindruck,
als ob der Kranke, der wohl die Absicht zu sprechen hat, für
diese geistige Operation die nötige Energie zu entwickeln, nicht
im Stande ist. Ein ausgesprochener Mangel an Aufmerksamkeit
bildet eine regelmässige Begleiterscheinung der verlangsamten
Hirntätigkeit. Der somnolente Kranke kann zwar genügend auf
gemuntert werden, um einfache Fragen zu beantworten, wird je
doch eine längere Frage an ihn gerichtet, dann erschlafft die Auf
merksamkeit des Kranken, und er pflegt einzuschlafen. Ein glei
ches Verhalten zeigt sich bei seinem sonstigen Tun und Treiben.
Der Pat. verlangt z. B. zu trinken, aber bevor das Gefäss vom
Tisch bis an die Lippen gebracht ist, schläft er wieder ein und
muss erst wieder zum Trinken aufgemuntert werden. Dieser pa
thologische Schlaf ist natürlich kein erquickender, und so sehen
wir den Kranken niemals frisch.
Nach den Erfahrungen der Hirnchirurgie, die uns gelehrt
hat, dass eine Druckverminderung im Cranium durch Entleerung
des Eiters die Pulsfrequenz erhöht, haben wir als weiteres Symp
tom für den Hirnabscess, namentlich den grossen, die Pulsverlang
samung anzusehen. Dabei ist aber zu bemerken, dass keineswegs
die Abnahme der Frequenz proportional der Grösse des Absces-
ses zu sein braucht. Die Schlagfolge ist fast immer unter der
Norm, am häufigsten findet sich eine solche von 50—56 angege
ben. Jedoch sind Fälle beobachtet, bei denen die Zahl der Puls
schläge nur 10—16 betrug. Eine Beeinflussung der Frequenz
durch Temperaturerhöhung findet, so paradox es erscheint, nicht
statt. Die Atmung ist ebenfalls verlangsamt und kann bei einem
regelmässigen Atemtypus bis zu 10 Inspirationen pro Minute her
untergehen. Pflanzt sich jedoch der allgemeine Druck auf die
medulla oblongata fort, so zeigt sich uns das nicht allzu seltene
Phänomen, dass das Herz noch fortschlägt, wenn die Atmung
schon lange sistiert.