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Hypothese auch hat, so genügen die angeführten Beweis
momente doch längst nicht zur völligen Erklärung.
Diejenige Theorie, die wohl am meisten Anerkennung und
Verbreitung gefunden hat, ist die sogenannte Fremdkörper
theorie. Darnach soll die Geburt erfolgen, wenn der Uterus
inhalt für den Uterus zum Fremdkörper geworden ist. Dieses
beginnt mit dem Eintritt einer Verfettung im Deziduagebiete.
Hasse macht den rechtzeitigen Eintritt der Geburt
abhängig „von der Einwirkung eines bestimmten Gehaltes
des in die foetale Placenta strömenden Blutes an Stoffen
der regressiven Metamorphose (vor allem an Kohlensäure)
auf die nervösen Centralapparate der Muskulatur des Uterus.
Derselbe wird erreicht infolge des Abschlusses bestimmter
Veränderungen der Blutströmung, beziehungsweise der Blut
zusammensetzung im menschlichen Foetus am Ende des
neunten Schwaugerschaftsmonates.“ Hasse leitet seine Theo
rie aus eingehenden Studien des foetalen Kreislaufs ab und
hat seine Abhandlung hierüber sehr einleuchtend illustriert.
Zu Gunsten seiner Theorie spricht die Tatsache, welche die
praktische Geburtshilfe lehrt, daß durch die Applikation eines
Kohlensäurestromes auf den Uterus die Wehentätigkeit hervor
gerufen bezw. gesteigert werden kann, daß ferner bei As
phyxie, bei mangelnder Kompensation von Herzklappenfehlern,
bei einem erhöhten Kohlensäuregehalt des Blutes namentlich
in den beiden letzten Monaten der Schwangerschaft Früh
geburten eiutreten können. Vielleicht ließen sich die Hassesche
und die Fremdkörpertheorie insofern in Einklang bringen
uud zu einer Theorie vereinigen, daß die Veränderungen
in der Blutströmung und in der Blutzusammensetzung des
menschlichen Foetus die Ursache für den Eintritt der Ver
fettung im Deziduagebiete und damit den Grund für den
Eintritt der Geburt abgeben.
Auch' die anderen Theorien über die Ursachen des
Eintrittes der Geburt — Reizung der cervicalen Ganglien
(Keilmann, Knüpffer), Erlöschen des Einflusses des
Wehenhemmungszentrums (Schatz), Eintritt des 10. Pe
riodentermines (0. Schäffer) — genügen keineswegs zur
völligen Erklärung des Gehurtseintritts.