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E p i k r i s e :
Faßt man die geschilderten Krankheitssymptome, —
die charakteristischen choreatischen Zuckungen im Verein
mit den psychischen Störungen, den Beginn des Leidens
im mittleren Lebensalter und seinen chronisch progressiven
Verlauf, — zusammen, so ergiebt sich die Berechtigung,
den Fall als Chorea chronica progressiva anzusprechen und
bei dem typischen Krankheitsbild kann man davon Abstand
nehmen, an Hand der einzelnen Symptome die Diagnose
nochmals genauer zu begründen oder in differentialdiagnostische
Erörterungen einzutreten. —
Nur auf einen Punkt möchte ich näher zurückkommen,
der eine Abweichung von dem allgemein üblichen Krank
heitshilde bietet und für den der vorliegende Fall von be
sonderem Interesse ist. —
Es ist die Frage der Aetiologie.
Die enge Auffassung Huntingtons von der Erblich
keit der Krankheit ist, wie ich schon im ersten Teil meiner
Arbeit ausführte, von späteren Autoren (Hoffmann, Schles-
singer, Huet, Schmidt, Facklam, u. a.) dahin erweitert worden,
daß an Stelle homologer Heredität auch eine neuropatische
Belastung für die Entstehung der Krankheit gleichwertig
sei. Aber immer wurde daran festgehalten, daß das Leiden
sich nur auf dem Boden hereditärer Belastung entwickeln
könne. Bei weitem die Mehrzahl der bekannten Fälle wies
ja irgend ein aetiologisch hereditäres, Moment auf und
man bezeichnete die Krankheit schlechtweg als »hereditäre
Chorea.«
Demgegenüber war die Zahl der Fälle, wo die Krank
heit ohne Zusammenhang mit der Aseendenz vorgekommen
war, sehr geling. Vor dem Jahr 1900 lassen sich nach
dieser Richtung hin nur zwei Fälle von Schmidt (1891)
und vier Fälle von Etter (1891) mit Sicherheit verwerten.
Nach dieser Zeit aber mehren sich die Publikationen
nicht hereditärer Fälle in bemerkenswerter Weise und ver
dienen eine eingehende Beachtung gegenüber der Zald
der veröffentlichten hereditären Fälle, besonders, wenn
man bedenkt, «laß unter letzteren zahlreiche Mitteilungen