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und Lesen kann sie seit Jahren nicht mehr. Infolge größter
Unreinlichkeit ist die Pflege sehr erschwert.
In »Friedreichs Blätter für gerichtliche Medicin«, 1893,
teilt Erdt einen Fall mit, der zu forensischer Bedeutung
gelangte. An einer an Huntingtonscher Chorea in vorge
schrittenem Stadium leidenden, 40jährigen Frau wurden
wiederholt Sittlichheitsverbrechen begangen. Den Sachver
ständigen wurden in der Verhandlung folgende beiden Fragen
vorgelegt: 1) Ist die Frau geisteskrank, ev. diese Erkrankung
derart, daß leicht Vorkommnisse suggeriert werden können?
2) Mußte sich der Beschuldigte der vorhandenen Geistes
krankheit der Frau bewußt sein? — Verfasser stellt sich
auf den Standpunkt, daß man den Angaben solcher Kranken
nur mit größter Vorsicht Glauben schenken soll. Das Leiden
sei in späterem Stadium infolge der schweren organischen
Hirnveränderungen als Geisteskrankheit aufzufassen. Dabei
sei zu berücksichtigen, daß derartige Kranken mitunter bald
geistig ermüdeten, auf andere Dinge ihre Aufmerksamkeit
richteten, und so leicht eine Täuschung über den Grad der
Demenz Vorkommen könne.
In der »Revue neurol.«, 1903, will Pierre Marie
die Erkrankung eines 60jährigen Mannes, der seit seinem
7. Lebensjahr an einer fieberhaften Krankheit mit zahlreichen
zuckenden Bewegungen des Kopfes und der Extremitäten
leidet, ohne jedoch an Intellekt geschwächt zu sein, zum
Unterschied von Huntingtonscher Chorea als Chorea chro
nica minor aufgefaßt wissen.
Der I.-D. von Schinke (Kiel 1903) entnehme ich
folgenden Fall:
Fr. G., Meiereihalter, 60 J. alt, gibt an, daß in seiner
ganzen Familie und Verwandtschaft nie jemand geistes- oder
nervenkrank gewesen sei. Das Leiden habe bei ihm be
gonnen, als er 30 Jahre alt war. Die Zuckungen seien zu
nächst in den Beinen, dann im Rumpf und an den Armen,
und schließlich am Kopf und im Gesicht aufgetreten. Der
Verlauf war der gewöhnliche, langsam fortschreitend. Jetzt
besteht allgemeine Körperunruhe mit Beteiligung der Gesiebts
und Zungenmuskulatur. Der Gang ist breitbeinig, zuweilen