Cs ist eine ganz bekannte Tatsache, daß in der
Gefangenschaft Geistesstörungen recht häufig sind. Nach
großen Zusammenstellungen finden sich unter den Ge
fangenen 3% Geisteskranke, also ca. 10 mal mehr als
unter der freien Bevölkerung. Ein Umstand verdient hier
besonderer Erwähnung: Die im Gefängnis erkrankten
Verbrecher sind meist zu Geisteskrankheiten disponiert:
es sind oft erblich belastete, abnorme Individuen, die
durch Trunksucht, Kopfverletzungen, Nervenkrankheiten,
Vergiftungen invalide geworden sind. Außer dem Einflüsse
der Freiheitsberaubung, der Angst vor der Zukunft, der
Selbstvorwürfe, die natürlich die Eingesperrten am meisten
heimsuchen, kommen dabei noch die oftmals ungünstigen
hygienischen Verhältnisse des Gefängnislebens, die Nach
wirkungen der Untersuchungshaft und vor allem die
Einsamkeit in Betracht, welche den Gefangenen zur grübeln -
den Beschäftigung mit den eigenen Gedanken gründliche
Muße gibt.
Im folgenden will ich im wesentlichen nur auf die
klinischen Formen und das Schicksal der akuten Psychosen
eingehen, die der Haft ihre Entstehung verdanken. Winslow
teilt in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit, daß
Geisteskrankheiten häufiger bei zu längerer Haft Verur
teilten vorkommt, namentlich in den Zellgefängnissen.
Der von ihm geschilderte Symptomenkomplex von
Unruhe und ängstlichen Hallucinationen kann in Heilung
oder Blödsinn ausgehen, je nachdem die Einzelhaft auf