Wenn auch ihrem ganzen Wesen nach Tabes dorsalis
und die progressive Paralyse zwei von einander grundver
schiedene Krankheiten sind, so finden wir andererseits sie
doch wieder in enger Beziehung mit einander stehen.
Bei beiden wird als ätiologisches Moment Lues ange
nommen. Sie sind ja freilich nicht als einfache Manifestation
der Lues in irgend einem Stadium derselben anzusehen,
wohl aber werden sie in einem uns allerdings unbekannten
Verhältnis zu ihr stehend angenommen, sodaß man sie als
meta- oder paraluetische Affektion bezeichnet.
Beide Krankheiten sehen wir häufig zusammen auf-
treten. Infolgedessen steht uns an Litteratur hierüber ein
reichliches Material zur Verfügung.
Bereits in den sechziger Jahren des verflossenen Jahr
hunderts konnte Westphal nachweisen, dass bei der Paralyse
der Irren sehr häufig während des Lebens sich krankhafte
Erscheinungen seitens des Rückenmarks bemerkbar machten
und daß noch häufiger die post mortem vorgenommenen
Untersuchungen anatomische Veränderungen des Rücken
marks ergaben.
Über die Häufigkeit nun des Vorkommens von Para
lyse mit tabischen Symptomen bestehen sehr stark von
einander abweichende Beobachtungen.
Schaffer fand bei 20 Paralytikern nur 5, welche keine
tabischen Erscheinungen zeigten, bei 75°/o waren Symptome
von Hinterstrangsaffektion vorhanden. Einen ähnlichen
Prozentsatz fand Nageotte.
Binswanger dagegen, und diesen Standpunkt vertritt
auch Fürstner, behauptet, daß höchstens nur in einem Fünftel
der Fälle, d. h. bei 20°/„ eine Kombination von Paralyse und
Tabes vorliegt.