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depressiv ängstlichem Affekt erwähnt. Bei einer großen
Anzahl von Fällen fallen uns Sinnestäuschungen aller Art als
Hauptsymptom der die Tabes komplizierenden Psychose auf.
Selbstverständlich kann auch ein Geisteskranker tabisch
werden. Ob sich nun hier der geistigen Erkrankung die
körperliche hinzugesellt oder ob sich die Psychose allmählich
im Sinne einer Paralyse umwandelt, das läßt sich wohl schwer
entscheiden. Daß bisweilen ein oder mehrere' zeitlich weit
auseinanderhegende Psychosen der Paralyse vorausgehen
können, dafür bringt Neisser mehrere Beispiele.
Erkrankt ein Geisteskranker an Tabes, so können wir
entweder annehmen, daß wir zwei nebeneinander verlaufende
Krankheitserscheinungen vor uns sehen, oder aber die voraus
gehende Psychose kann ihrer Art und ihrer späteren Ent
wickelung nach doch ein echter Vorläufer einer Paralyse sein.
Cassirer sah in der Breslauer Klinik einen Fall, in dem
bei einem Kranken während mehr als einem Dezennium in
sich immer mehr nähernden Intervallen schwere, melancho
lische Zustände auftraten, anfangs mit völlig freien Zwischen
räumen, ohne jede Andeutung eines paralytischen Symptoms,
später mit leisen Hinweisen in diesem Sinne und nicht mehr
vollkommener Restitution, bis schließlich die Paralyse ausbrach,
der der Kranke nach mehrjähriger Dauer im paralytichen
Anfall erlag.
Andererseits beobachtete Lalanne einen Fall, der auch
sehr bezeichnend ist. Ein Degenerierter, der früher zwei
Anfälle von Psychose durchgemacht hatte, sich zwischen
beiden Anfällen luetisch infiziert hatte, fiel der Paralyse
anheim.
Es würde zu weit führen, auf noch mehr in der Litteratur
erwähnte Fälle einzugehen. Daß die Tabes sich mit schweren,
akuten, allgemeinen Psychosen verbinden kann, die nicht
paralytischer Natur sind, ist ja von vornherein wahrscheinlich
und auch durch mehrfache Beobachtungen namhafter Autoren
sicher festgestellt, im Verhältnis zu der so häufigen Kombi
nation von Tabes und Paralyse treten sie doch relativ selten
in Erscheinung.