Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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allgemeine Knochenatrophie für die spontanen Kontinuitätstrennungen 
hei Tabes verantwortlich zu machen sei, würde also nur auf eine 
gewisse Gruppe von tabischen Frakturen angewendet werden 
können, nämlich solche mit deutlichen Zeichen von Knochenver 
änderungen. 
Bougle läßt beide Ansichten gelten, die der lokalen wie der 
allgemeinen Störung, indem die Affektion bald herdweise auftrete, 
bald das ganze Skelett befalle. 
Noch hypothetischer ist die Annahme einer nur voi'übergehenden 
Dystrophie (Bowlby) als Ursache der lokalen Brüchigkeit. 
Aber nicht nur über die Verbreitung jener fraglichen Knochen 
veränderungen herrscht Uneinigkeit unter den Verfechtern der 
neurotischen Theorie, auch die Lokalisation der nervösen Störung, 
als Ursache jener ossalen Erkrankung, ob zentral oder peripher, 
hat eine einheitliche Deutung bisher nicht erfahren. Die ursprüng 
lich von Charcot aufgeworfene Behauptung, daß Degeneration der 
Vorderhörner für den Ausfall der trophischen Einflüsse verant 
wortlich zu machen sei, konnte von ihm selbst nicht lange aufrecht 
erhalten werden, nachdem er und zahlreiche andere Forscher trotz 
Gelenk- und Knochenveränderungen die graue Marksubstanz intakt 
fanden; auch wurde mit Recht hervorgehoben, daß gerade bei der 
Poliomyelitis anterior Knochenbrüche ein sehr seltenes Ereignis 
seien. An einem zentralen Ursprung der Ernährungsstörung hielt 
Charcot aber nach wie vor fest. 
Mehr allgemeine Anerkennung fand die Lehre, die nicht spinalen 
Zentren, sondern dem peripheren Nervensystem einen Einfluß auf 
die ossale Erkrankung zusprach (Joffroy, Westphal, Siemerling 
und Oppenheim), nachdem man in Fällen von Arthropathie und 
Spontanfraktur wiederholt eine Degeneration der kleinsten Gelenk 
ästchen bezw. der ins Foramen nutritium eintretenden Nerven - 
stämmchen hatte konstatieren können (Siemerling, Sonnenburg). 
Einen mehr vermittelnden Standpunkt nehmen Leyden und 
Goldschneider ein. die einen direkt trophischen Einfluß auf das 
Knochensystem "hiebt gelten lassen und in der Anästhesie eine 
Störung der Ernährung erblicken. Die zentripetalen Nerven, die 
die Knochen und Gelenke reichlich versorgen, regulieren durch die 
reflektorische Beeinflussung der Gefäßweite die Ernährung der Ge 
webe bezw. sorgen für die Anpassung der Ernährung an die lokalen 
inneren und äußeren Bedingungen; leidet durch den Ausfall dieses 
sensiblen Regulierungsapparates der Reflexmechanismus, so soll 
mangelnde Anpassung und Störung der Ernährung die Folge sein.
	        
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