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Die intraartikulären Frakturen sind bald die Ursache, bald die
Folge eines tabiscken Gelenkleidens. Kotter hat als Bedingung
für das Zustandekommen einer Arthropathie das Vorhandensein einer
traumatischen Arthritis hingestellt, die unter dem Einfluß der Analgesie
und Inkoordination der Bewegungen einen so ungewöhnlichen Ver
lauf nimmt. Andererseits wird, stellt man sich auf die Seite derer,
die in der Arthropathie nichts anderes als die Arthritis deformans
eines Tabikers sehen, sich die intraartikuläre Fraktur leicht aus der
im vorgerückten Stadium der deformierenden Gelenkentzündung
oft zu beobachtenden Atrophie der epiphysären Knochenenden er
klären lassen.
Wir haben unter unseren 4 Gelenkbrüchen nur zweimal Ver
änderungen gefunden, die sich als Arthropathie deuten lassen: im
Anschluß an den Bruch der oberen Tibiaepiphyse und bei der
Schenkelhalsfraktur der Frau D. Während im ersten Fall mit
Sicherheit die Fraktur das Beinleiden eingeleitet, ist es bei der
zweiten Beobachtung nicht zu entscheiden, ob der Knochenbruch
oder die Schädigung des Gelenkes das Primäre gewesen. Bemerkens
wert ist es, daß in keinem der übrigen Fälle, weder bei den anderen
beiden Schenkelhalsfrakturen noch dort, wo der Bruch nahe dem Gelenk
gelegen, trotz 1 bis 2jähriger Beobachtungszeit artikuläre Störungen
sich eingestellt haben. Bei der Identität, die man dem Gelenkleiden
und den Diaphysenbrüchen zuschreibt, muß das seltsam erscheinen.
Die Arthropathie ist als eine Komplikation anzusehen, die quoad
restitutionem prognostisch ungünstige Verhältnisse schafft. Sie tritt
als Folge fehlender oder mangelhafter Behandlung auf; so kamen
in unseren beiden eben beschriebenen Fällen die Patienten erst
Wochen oder Monate nach Beginn des Leidens zum Arzt.
Doch auch sonst darf der Knochenbruch für den Tabiker keines
wegs als ein gleichgültiges Ereignis gelten. Während Weil-
Mitchell in der ersten Veröffentlichung, die sich mit tabischen
Frakturen befaßte, auf den wohltuenden Einfluß der Bettruhe hin
wies, die dem Fortschreiten des Rückenmarksleidens Einhalt tue,
ist von anderer Seite mehr die schädliche Wirkung dieser Zufälle
betont worden. Petit hat den Einfluß von Traumen im all
gemeinen auf den Verlauf der Tabes untersucht und gefunden, daß
selbst nach kleinen operativen Angriffen eine Exacerbation der
Symptome einti’itt. So sah Leroy nach einem Unterschenkelbruch
ein Wiederauftreten der lancinierenden Schmerzen und gastrischen
Krisen. Lotheißen beobachtete nach einer Arthrotomie bei
Hüftgelenksaffektiou und Schenkelhalsfraktur langandauernde