Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

Muskelsynergie nicht mehr zustande kommen, werden die Muskeln 
unzweckmäßig kontraliiert und entspannt, so entstehen ungleichmäßige 
Druckverteilung, Zerrungen und Spannungen an den Knochen und 
Gelenken. Unsere eigenen Beobachtungen zeigen ungemein deutlich, 
welch wichtige, ausschlaggebende Bedeutung rein mechanischen 
Momenten zukommt. In allen Fällen, wo wir eine Restitutio ad 
integrum der Fraktur sahen, und bei den Kranken, die bis zur Ge 
winnung des anatomischen Präparates im Bette gehalten wurden 
und ihre Glieder nicht belasten konnten, sahen wir nirgends ähn 
liche geschwulstartige Ossifikationen. Die Wirkung der mecha 
nischen Reize wird naturgemäß sehr wesentlich durch die Anästhesie 
der insultierten Weichteile unterstützt. Wenn auch nur selten, so 
hat man doch ganz analoge Knochenwucherungen am Becken und 
Oberschenkel nach traumatischen Frakturen nichttabischer Indivi 
duen beobachtet (Virchow, Lange). Erst neuerdings hatBlencke 
enorme Knochenproliferationen nach traumatischer Beckenfraktur 
bei einem an Phthise gestorbenen, nicht nervenkranken Manne be 
schrieben. 
Im Gegensatz zu diesen knocheuneubildendeu Prozessen werden 
bei tabischen Frakturen bisweilen resorbierende Vorgänge ange 
troffen. die besonders an den Gelenkfortsätzen sich abspielen, doch 
auch auf die Diaphyse sich ausbreiten und zu einer partiellen Ein- 
schmelzung derselben führen. Ich will hier nicht eingeheu auf die 
Fälle schwerster Arthropathie, wo derartige Einschmelzungen nicht 
selten beobachtet werden; sie gehören in das Gebiet der tabischen 
Gelenkleiden. Man hat vielmehr nach intraartikulären Schenkelhals 
frakturen sowie nach Oberarmbrüchen völligen Schwund des Kopfes 
nachweisen können und dies als Ausdruck einer tiefen Knochen 
schädigung zu verallgemeinern versucht. Unter unseren 4 Fällen 
von Gelenkbruch zeigt nur bei der Patientin D. (Fall 7) das 
Röntgenbild atrophische Prozesse an dem der Pfanne anhaften 
den Schenkelkopf; die Umrisse sind nicht scharf, der Rand ist 
wie angefressen; regressive Veränderungen, die wir auch bei nicht 
nervenkranken Individuen zuweilen antreffen. Bei den beiden 
anderen Schenkelhalsfrakturen wie auch dem Bruch der oberen 
Tibiaepiphyse erscheinen die gelösten Knochenteile vollkommen 
intakt. Nur schwer verständlich wäre ein solcher Befund, wenn 
wirklich schwerere, bis zur spontanen Kontinuitätstrennung führende 
Läsionen des Knochens vorlägen; atrophierende und resorbierende 
Prozesse finden sich eben nur da, wo der Allgemeinzustand der 
Kranken durch längeres Siechtum erheblich gelitten hat.
	        
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