Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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Das weibliche Geschlecht gilt als besonders zu tabischen Frak 
turen disponiert. So zeigen einige Statistiken, daß in der Hälfte 
aller Fälle Frauen es sind, die von der Verletzung betroffen 
(Bougle, Flatow). Dies muß um so auffälliger erscheinen, als ja 
das männliche Geschlecht in der Vei’breitung der Tabes bei weitem 
überwiegt. Die Ursache nun dieser seltsamen Beobachtung liegt 
nicht in der Disposition des weiblichen Geschlechtes, vielmehr in 
einem leicht nachweisbaren Fehler der Statistik. Wie ich schon 
oben erwähnt, schöpfen die bisherigen Statistiken alle aus derselben 
Quelle, nämlich aus älteren französischen Arbeiten, die zum 
großen Teil aus der Salpetriere hervorgegangen; hier aber fanden 
damals nur weibliche Kranke Aufnahme. Daher dominiert das 
weibliche Geschlecht in den französischen Veröffentlichungen und 
den auf ihnen basierenden statistischen Zusammenstellungen. Unter 
unseren eigenen 11 Beobachtungen finden sich nur 2 Frauen, unter 
den anderweitig publizierten ist von 57 Personen, bei denen das 
Geschlecht angegeben,. 10mal das weibliche befallen, also etwa in 
Vr, der Fälle. Diese Differenz entspricht ungefähr der im Auftreten 
der Tabes überhaupt. Die Lehre von einer besonderen Disposition 
des weiblichen Geschlechts zu tabischen Knochenbrüchen ist damit 
in das Reich der Fabel zu verweisen; das überwiegende Befallen 
sein der Frauen im Gegensatz zu dem größeren Anstrengungen 
und äußeren Gewalteinwirkungen mehr ausgesetzten männlichen 
Geschlecht diente stets der neurotischen Theorie als wichtige Stütze. 
Die Frakturen treten vielfach multipel auf. So finden wir in 
der Zusammenstellung von Flatow in 32 Beobachtungen 17mal 
mehrere Brüche bei demselben Individuum verzeichnet; während 
wir in unseren eigenen 11 Krankengeschichten dieses Ereignis nur 
2 mal beobachten konnten (Fall 9 und 11). Auch in unserer neueren 
Arbeiten entstammenden Statistik finden wir die Multiplizität der 
Brüche keineswegs so häufig verzeichnet; von 61 Fällen wiesen 
nur 7 mehrfache Frakturen auf, und zwar 5 mal 2, je 1 mal 4 
bezw. 7 Brüche an demselben Individuum. Die beiden letzten 
Beobachtungen, in denen man wohl allein von einer wirklichen 
Häufung der Brüche sprechen kann, sind von Krünlein und 
Bowlby beschrieben. Krönlein demonstrierte die Knochen einer 
Frau, die an Tabes litt und nach 7jährigem Aufenthalt in einer 
Heilanstalt zugrunde gegangen war. Die Frakturen, die meist 
wieder verheilt, betrafen den Schenkelhals und die Ulna, außerdem 
war die Scapula 2 mal, das Becken 3 mal gebrochen. Die Patientin 
von Bowlby war bereis 17 Jahre tabisch und litt seit 12 Jahren
	        
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