Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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legte, trat unter Krachen und Schmerzen der Bruch ein. Da die 
Schmerzen nach der Krankengeschichte wohl als lancinierende auf 
zufassen sind und nichts mit einer Empfindlichkeit des Knochens zu 
tun haben, ist für diesen Fall die Annahme einer der Fraktur vor 
ausgegangenen und diese vorbereitenden Knochenverletzung viel 
leicht gerechtfertigt. 
Wir dürfen wohl für eine Reihe tabischer Spontanbrüche eine 
innerhalb eines kurzen Zeitraumes sich abspielende successive 
Schädigung des Knochens annehmen, in deren Gefolge es dann zu 
einer kompletten Kontinuitätstrennung kommt. 
Für die überwiegende Mehrzahl der tabischen Frakturen wird 
aber wohl die einmalige Gewalt die Regel bilden, so besonders 
bei denjenigen Kranken, die bereits längere Zeit in klinischer Be 
obachtung sich befanden und bei denen nachweislich ein schwereres 
Trauma nicht mitgewirkt haben kann. Dies sind vornehmlich 
Kranke aus dem späten Stadium der Tabes, die schon lange siech 
und bettlägerig, deren Skelett bereits der marantischen Atrophie 
verfallen. Doch auch für die meisten der in der Frühperiode auf 
tretenden Frakturen muß die einmalige Schädigung als die Regel 
gelten. Hier kann die Analgesie nicht allein die Ursache der Kon 
tinuitätstrennung bilden, wie sie auch bei den obengenannten Fällen 
nicht als ausschließliches ätiologisches Moment betrachtet werden 
darf. Es ist schon bei dem tabischen Initialstadium und mehr noch 
in der ataktischen Periode die mehr oder minder gestörte Koordi 
nation der Muskelfunktion zu berücksichtigen. Daß ein seiner 
Schmerzempfindung beraubter Knochen keinen reflektorischen Reiz 
mehr auf die Muskeln ausüben und diese daher auch nicht im ge 
gebenen Moment in unterstützende Aktion treten werden, liegt auf 
der Hand. Der Knochen findet also an den Muskeln keinen wesent 
lichen Halt. Ist nun aber auch die normale Funktion der Muskeln, 
ihr Koordinationsvermögen gestört, so kann eine im Augenblick 
stärkerer Beanspruchung des Knochens einsetzeude, dem mechani 
schen Insult gleichgerichtete Muskelkontraktion die äußere Ge- 
waltwirkuffg noch erheblich steigern und zur Fraktur führen. 
Derartigen unkoordinierten, durch physiologische Hemmung der 
antagonistischen Muskelgruppen nicht regulierten und durch eine 
ungewöhnliche Geschwindigkeit ihres Ablaufs charakterisierten 
Muskelkontraktionen begegnen wir vor allen Dingen im ataktischen 
Stadium der Tabes, also in jener Krankheitsperiode, in der die 
meisten Spontanfrakturen Vorkommen: und es ist fast zu verwun 
dern, daß in dieser Krankheitsperiode nicht häufiger Kontinuitäts-
	        
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