Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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auf die äußerste Elastizitätsgrenze belastet und anstrengt, dafür 
mangelt ihm das normale Knochengefühl. Ein klassisches Beispiel 
hierfür liefert unser Fall 3. Die 40jährige Frau 0. gab bei der 
Aufnahme in die Klinik an, ihr rechter Oberschenkel sei ohne 
rechte Ursache gebrochen; sie habe einen Tiscli aufheben wollen, 
und dabei sei das Unglück geschehen. Daß dieser Tisch mit eiser 
nen Füßen und einer schweren Platte versehen, daß sie ihr ganzes 
Körpergewicht — die Frau war sehr korpulent — dabei auf das 
rechte Bein verlegt, diese genaueren Aufschlüsse gab sie nur erst 
auf eingehendes Befragen. Ihr selbst war, zumal auch der Bruch 
völlig schmerzlos sich ereignete, eine größere Anstrengung nicht 
zum Bewußtsein gekommen. 
Das verminderte bezw. aufgehobene Gefühlsvermögen des 
Knochens ist der eine Faktor, der bei der tabischen Fraktur zu 
berücksichtigen ist. Daher kann es uns nicht wundernehmen, 
wenn ein Tabiker auf seinem gebrochenen Bein, soweit die statischen 
und mechanischen Verhältnisse es ermöglichen, noch herumzugehen 
vermag, ohne sich eines Bruches bewußt zu sein. Erst mit dem 
Eintritt einer stärkeren Dislokation der Fragmente oder einer 
interkurrenten Schwellung und Entzündung wird ihm die Schwere 
seiner so gering veranschlagten Verletzung klar. So war es z. B. 
in unserem Fall 4, wo der Kranke noch tagelang auf seinem Tibia 
bruch herumgegangen war, ohne dadurch wesentlich behindert ge 
wesen zu sein. Auch dieser Patient war sich keines größeren trau 
matischen Insultes bewußt; daß er bei jenem leichten Umknieken 
auf der Treppe gleichzeitig einen zentnerschweren Sack getragen, 
betrachtete er anscheinend als belanglos; die Analgesie ließ ihn 
das Trauma unterschätzen. In wieviel anderen Fällen tabischer 
Spontanfrakturen mag der eigentlichen Kontinuitätstrennung eine 
Fissur oder Infraktion wenige Tage vorher voraufgegangen sein, 
ohne daß die betreffenden Patienten davon eine Ahnung hatten. Eine 
heftige Bewegung, eine heftige Drehung des Beines, z. B. beim 
Stiefelausziehen, genügt dann, um die Fissur zu einer kompletten 
Fraktur zu machen. So gab uns Patient Dr. (Fall 2) erst nach 
träglich auf eingehendes Befragen an, daß er wenige Tage vor der 
Fraktur einen heftigen Stoß mit einer Deichsel gegen den linken 
Oberschenkel erlitten habe, so daß er hingefallen sei. Da er 
keinerlei Schmerzen verspürte, setzte er die Arbeit fort. Bald 
darauf legte er sich wegen „rheumatischer“ Schmerzen zu Bett, 
und als er wenige Tage danach zum ersten Male aufstand und beim 
Anziehen der Hosen sein ganzes Gewicht auf das linke Bein ver
	        
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