Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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Publikation hat dann Kapsamer seine ursprüngliche Ansicht verworfen 
und einen Einfluß nervösen Ursprungs von seiten der Ischiadicusdurch- 
schneidung auf die Callusbildung geleugnet. 
Da eine stärkere Verschiebung der Fragmente, wie sie bei gelähmten 
Gliedern fast unausbleiblich, wohl immer als Ursache bald übermäßiger 
Callusproduktion, bald mangelnder Konsolidierung in den Experimenten 
angesprochen werden muß, schalteten Muscatello und Damascelli diese 
wichtige Fehlerquelle dadurch aus, daß sie an der paralysierten oberen 
Extremität nur eine Durchtrennung der Ulna Vornahmen, während der in 
takte Radius als Schiene eine Dislozierung der Fragmente verhinderte. Bei 
dieser Versuchsanordnung vermißten sie niemals, gleichgültig, ob die Ver 
letzung gleichzeitig mit oder einige Zeit nach der Nervendurchtrennung 
stattgefunden, prompte und normale Konsolidation, so daß sie einen direk 
ten trophischen Nerveneinfluß beim Heilungsprozeß der Frakturen mit 
Sicherheit ausschließen konnten. 
Da nun aber doch einige sichere experimentelle Befunde von 
Atrophie vorzuliegen scheinen und es andererseits auch klinisch 
feststeht, daß kürzer oder längere Zeit nach einer Lähmung im 
Knochen stets atrophierende Prozesse einsetzen, muß sich, wenn 
wir trophische Störungen ablehnen, eine andere Ätiologie für diese 
Veränderungen finden lassen. Die einzig in Frage kommende 
Ursache ist die Inaktivität; der Zug kräftiger Muskeln, der leben 
dige Gebrauch der Glieder, diese physiologischem Reize des nor 
malen Knochens fehlen dem gelähmten, und daher verliert er 
seine ursprüngliche Masse und Kraft. Die Autoren, die diese Tat 
sache ab leugnen und nicht Untätigkeit, sondern trophische Stö 
rungen für die ossale Atrophie verantwortlich machen, stützen 
sich auf. meines Erachtens, nicht einwandfreie Experimente. Die 
Fixierung eines Gliedes durch Kontentivverbände wird niemals 
zur völligen Ruhigstellung führen und Muskelkontraktionen ver 
hüten können. Jeder, der sich mit Frakturbehandlung befaßt, 
weiß, daß dem Anlegen eines cirkulären Gipsverbandes sehr schnell 
ein Schwund der Muskulatur folgt, und dadurch dem fixierten Glied 
freierer Spielraum geschaffen wird. So wird es uns nicht wunder 
nehmen, wenn Rasumowsky, der neben der gelähmten Extremität 
zur Kontrolle die intakte eingipste, Differenzen in den Knochen 
befunden erhielt; die graduellen Unterschiede der Atrophie ent 
sprechen einfach denen in der Ruhigstellung, ohne daß man das 
Plus an dem paralysierten Gliede besonderen trophischen Ein- 
wirkduugen zuzuschieben brauchte. Aus demselben Grunde ist der 
schon oben zitierte Versuch Samuels anfechtbar, der den intakten 
Flügel einer Taube an dem neurektomierten befestigte, und in 
dem gelähmten Knochen Veränderungen fand, die er an dem ge
	        
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