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dem Bilde der Inaktivitäts- oder marantischen Atrophie zurechnen,
die ja so häufig bei in langes Siechtum ausklingenden Leiden be
obachtet wird. So hat auch E. Meyer durch chemische und ana
tomische Untersuchungen den Beweis erbracht, daß die bei Geistes
kranken häufig beobachtete Rippenbrüchigkeit auf einer einfachen
excentrischen Atrophie beruht und nur bei marantischen Indi
viduen gefunden wird, daß also Marasmus auch bei der Paralyse
die eigentliche Ursache der erhöhten Fragilität ist.
Christian hält die vermeintliche Knochenbrüchigkeit bei Geistes
kranken für illusorisch, nachdem er unter 250 Paralytikern nicht einen
einzigen Fall von Fraktur beobachtet. Campbell hat durch den Nach
weis, daß die Rippenbrüchigkeit auch durch gährende Krankheiten bei
Nichtgeisteskranken, also unabhängig von nervösen Einflüssen erheblich
abnimmt, gezeigt, ein wie großes Gewicht dem allgemeinen Körperzustand
für die Knochenveränderung beizumessen ist. Desgleichen berichtet Chel-
monski über 13 Fälle von Rippenbruch bei phthisischen und anderen
kachektischen Individuen.
Es müssen daher für die Entscheidung der Frage, ob der
Tabes rareflzierende Prozesse des Knochens eigentümlich sind, alle
die Fälle ausgeschaltet werden, hei denen langes Siechtum oder
Krankenlager vorausgegangen sind, und somit andere Momente für
die Ätiologie in Frage kommen. Verwertet können nur anatomische
Befunde von Knochen eines Skeletts werden, das aus den ersten
Stadien der Erkrankung stammt und unter gleichen äußeren Be
dingungen gestanden und den gleichen funktionellen Ansprüchen
genügt hat, wie ein entsprechender normaler. Diese Forderung,
die aber für eine einwandfreie Untersuchung unbedingt aufrecht
erhalten werden muß, erschwert die endgültige Lösung dieser wich
tigen Frage ungemein. Denn nur ein Zufall kann uns ein derartig
günstiges Untersuchungsmaterial in die Hände spielen. Im frühen
Stadium der Tabes wird es kaum möglich sein, einwandfreies Ma
terial eines frisch gebrochenen Knochens zu erhalten; bietet sich
uns anatomisches Material durch Exartikulation oder Amputation
des verletzten Gliedes, so hat meist die Ursache des operativen
Eingreifens sekundäre Veränderungen an den Knochen hervorge
rufen und die Befunde sind nicht eindeutig und nur in beschränk
tem Maße zu verwerten. Wir werden daher darauf angewiesen
sein, zur Kontrolle Knochen nichttabischer Individuen, die möglichst
gleichen äußeren Schädlichkeiten ausgesetzt waren, zu untersuchen
und durch Vergleich der Objekte zu entscheiden, welche Verände
rungen eventuell der Tabes, welche den akzidentellen Faktoren zur
Last zu legen sind
Baum.
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