Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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einem Fall von Tibiafraktur unterhalb eines schweren arthro- 
pathischen Schlottergelenks jene Anordnung der Knochenbälkchen, 
die man sonst bei einem Genu varum beobachtet. Diese Deutung 
kommt, falls sie überhaupt als gültig anerkannt werden kann, nur für 
eine ganz beschränkte Zahl von Spontanbrüchen in Frage, nur für 
solche, die in der Nähe einer Arthropathie gelegen. Dünne Schliffe 
und mikroskopische Quer- und Längsschnitte aus der unmittel 
baren Nähe der Frakturstellen, wie schließlich auch das Röntgen 
bild haben uns an unseren Fällen keine auffallenden Trans 
formationsveränderungen erkennen lassen; sie können demnach als 
regelmäßige Erscheinungen nicht angesehen werden. 
Von anderer Seite ist hervorgehoben worden, daß nicht lokale 
Störungen, vielmehr eine allgemeine ossale Atrophie der Tabes 
eigentümlich sei und die Veranlassung zur spontanen Kontinuitäts 
trennung gäbe. 
Welches ist nun die anatomische Grundlage, auf die sich diese 
Lehre stützt? Uber das histologische Verhalten tabischer Knochen 
liegen bisher nur ganz vereinzelte Untersuchungen vor. 
Heydenreich (Liouville) untersuchte den spontan gebrochenen 
Oberschenkel eines 38 jährigen Mannes, der am 29. Tage nach der Ver 
letzung an diffuser Phlegmone zugrunde ging, und fand bei makroskopisch 
normalem Aussehen das typische Bild einer rarefizierenden Ostitis, die in 
geringerem Grade auch den unverletzten Oberschenkel betraf. Ähnliche 
Befunde konnte Bougle erheben; zur mikroskopischen Prüfung gelangten 
der spontan gebrochene Femur und die ebenfalls ohne Trauma frakturierte 
Clavicula. Die Knochen ließen sich außerordentlich schnell entkalken, sie 
boten die für Osteoporose charakteristischen Resorptionsvorgänge mit 
fettiger Degeneration des Markes. Beginnende Atrophie fand sich an dem 
Schlüsselbein eines anderen 54jährigen Tabikers. Schwerere Veränderungen 
zeigte das multipel frakturierte Skelett einer 64jährigen tabeskranken 
Frau, die an Marasmus zugrunde ging; die Knochen sahen äußerlich nor 
mal aus, doch genügte leichter Fingerdruck, sie zu zerdrücken. 
Weitere Beobachtungen stammen von Blanchard, der keine fraktu- 
rierten, sondern unverletzte Knochen von drei im vorgerückten Stadium 
der Tabes verstorbenen Individuen untersuchte: Bedeutende Erweiterung 
der Haversschen Kanäle, ungleichmäßig nach der Markhöhle zunehmende 
Resorption des Knochengewebes waren in allen Fällen übereinstimmend 
nachzuweisen. 
Auf diese wenigen mikroskopischen Befunde gründet sich die 
weitverbreitete Ansicht, daß der Tabes eine unter dem Bilde der 
Osteoporose und Osteomalacie einhergehende Knochenatrophie eigen 
tümlich sei. durch die sich die Spontanbrüche ohne weiteres er 
klären ließen.
	        
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