Full text: Knochenbrüche bei Tabes und deren ätiologische Stellung

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Die Beobachtung von Charpy, der an tertiärsyphilitischen Indi 
viduen trotz makro- und mikrokopisch normalen Verhaltens 
der Knochen eine Abnahme des Fluor-Calciumgehaltes nachweisen 
konnte, sind unseres Wissens von anderer Seite bisher nicht be 
stätigt worden. Aber abgesehen von dieser noch wenig fest 
stehenden Tatsache macht das völlig parallele Vorkommen von 
Spontanfrakturen bei der von Lues unabhängigen Syringomyelie 
die Auffassung einer Beziehung zwischen tabischen Knochenbrüchen 
und syphilitischer Diathese nicht wahrscheinlich. Noch weniger 
ließe sich mit ihr in Einklang bringen die große Seltenheit von 
Knochenbrüchigkeit in frühen Stadium der progressiven Paralyse, 
der typisch metasyphilitischen Erkrankung. 
Von unserem Beobachtungsmaterial war anfangs ein Fall auf 
luetische Ostitis verdächtig. 
Es handelte sich um einen 38 jährigen Arbeiter, der beim Tragen 
schwerer Säcke mit dem rechten Fuß leicht umgeknickt war und, ohne 
die allmählich zunehmende Schwellung über dem Fußgelenk zu beachten, 
noch mehrere Tage umhergegangen war und seine schwere Arbeit weiter 
verrichtet hatte. Bei der Aufnahme in die Klinik erweckte die Schmerz 
losigkeit der umfangreichen, zum Teil abszedierten Schwellung des Fuß 
gelenks in Verbindung mit der eigenartigen Anamnese sofort den Verdacht 
auf Tabes, der durch die weitere Untersuchung bestätigt wurde. Nach 
erfolgloser konservativer Behandlung wurde der Unterschenkel amputiert; 
eine genaue Besichtigung des Präparates ergab eine vollkommene Konti 
nuitätstrennung des inneren Knöchels in der Epiphysenlinie, ganz ähnlich 
wie bei einer traumatischen Epiphysenlösung, mit fibrinösen und zähen, 
gummösem Gewebe ähnlichen Massen zwischen den Bruchenden, wie 
auch in den Bruchstücken selbst. Die mikroskopische Untersuchung ergab 
jedoch, daß es sich um eine chronisch eitrige, anscheinend indolente 
phlegmonöse Entzündung handelte, die erst sekundär den Knochen mit- 
affiziert hatte, nachdem primär der Frakturherd von der infizierten Haut 
aus erkrankt war. 
So scheidet also auch dieser Fall für die Annahme einer lo 
kalen Knochenaffektion nicht verwendbar aus. Aus der einschlägigen 
Literatur ist uns keine Beobachtung bekannt, die die Lehre von 
der lokalen Knochenveränderung bei Tabes stützen könnte. Somit 
würde, wollte man trotzdem eine lokale Festigkeitsveränderung 
des Knochens annehmen, nur eine makroskopisch und mikroskopisch 
nicht erkennbare organische Anomalie die Grundursache der Fragi 
lität bilden, die vielleicht in physikalischen oder chemischen Ab 
weichungen ihre Ursache haben konnte. So zieht Büdinger zur 
Erklärung der abnormen Brüchigkeit für gewisse Fälle von Tabes 
die Wolffsche Transformationstheorie heran. Er vermißte in
	        
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