12
ferner gibt es eine Reihe Beobachtungen von tabischen Arthropa
thien und Spontanfrakturen, bei denen solche Nervenveräuderungen
nicht nachweisbar sind. So fand Bougle bei einem Patienten mit
vorgeschrittener Arthropathie des Knies an den zugehörigen Ner
ven nur ganz geringe Veränderungen, die in keinem Verhältnis zu
den schweren Gelenkzerstörungen standen; bei einem Spontanbruch
des Trochanters bewiesen sich die Knochenäste völlig intakt. Auch
wir vermißten in unseren beiden Amputationsfällen von tabischer
Fraktur Degenerationserscheinungen am Nervus iscliiadicus und ti-
bialis. Zu ähnlich negativen Resultaten gelangten noch andere
Forscher (Tuffier und Chipault, Blencke).
Aber selbst wenn in allen Fällen von Arthropathie und Spon
tanfraktur eine Neuritis der Gelenk- und Knochenäste sich konstant
nachweisen ließe, was brauchte es anderes zu bedeuten, als daß
eben nicht nur an der Oberfläche des Körpers, sondern auch in
den tieferen Schichten Sensibilitätsstörungen vorhanden! Die De
generation an sich beweist noch nicht das Vorhandensein trophischer
Störungen. Ganz abgesehen von ihrer fraglichen Bedeutung für
das Zustandekommen tabischer Spontanfrakturen muß nach den
neueren Erfahrungen und Beobachtungen auch die ätiologische Rolle
der peripheren Nervenveränderungen in der Pathogenese der früher
von Charcot und seinen Schülern als ausschließlich neuropathischen
Ursprungs angenommenen tabischen Gelenkaffektionen eine Ein
schränkung erfahren. Die Arthropathien sind doch in hohem
Maße von mechanischen und traumatischen Einflüssen, besonders
aber von der Analgesie abhängig, und ihre anatomische Unter
suchung läßt sie als schwere und vorgeschrittene Formen der de
formierenden Arthritis erkennen, mit der sie in der Hauptsache
übereinstimmen. Wie hoch speziell die mechanischen Momente für
die Arthropathie genetisch zu bewerten, zeigen uns unsere eigenen
Beobachtungen. Wir sahen unter unseren Fällen nur zweimal
Arthropathien auftreten, und zwar da, wo mangelnde Behandlung
ein Ausheilen der intraartikulären Fraktur nicht ermöglichte, das
frisch verletzte Gelenk vielmehr weiter benutzt und mechanischen
Insulten ausgesetzt wurde. In allen anderen Fällen, wo die Fraktur
entweder auch intraartikulär gelegen oder dem Gelenk nahe be
nachbart war, blieb die Affektion aus, da fixierende Behandlung
und längere Schonung das verletzte Gelenk vor neuen Reizen be
wahrte.
Wie man sich auch zu der Frage stellen mag, mag man einen
neuropathischen Ursprung anerkennen oder nicht, die tabischen