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Beschaffenheit der den tabischen Knochen umgebenden und be
wegenden Organe und einer ihn in einem solchen Zustande mangelnder
Koordination und Widerstandsfähigkeit treffender Gewaltein
wirkung aus.
Einen vermittelnden Standpunkt nehmen Rotter und Kredel ein.
Rotter hält die Tatsache für unabweisbar, daß bei Tabikern
nicht selten eine erhöhte Brüchigkeit der Knochen vorkommt.
„Es sind in der Literatur Beobachtungen verzeichnet, in denen ohne
irgendeine nennenswerte äußere Veranlassung und ohne vorausgegangene
andauernde Inaktivität oder Entzündung, ohne bestehenden Marasmus Kon
tinuitätstrennungen der großen Röhrenknochen sich ereigneten, zu deren Er
klärung nichts anderes als die Annahme übrig bleibt, daß die Knochen
einen großen Teil ihrer Festigkeit eingebüßt haben. Weil nun diese
Spontanfrakturen beinahe nur bei Leuten, welche von Tabes dorsalis und
anderen schweren Nervenleiden befallen sind, beobachtet werden, darf es
gewiß als mehr als wahrscheinlich angesehen werden, daß die Herabsetzung
der Festigkeit der Knochen durch Nerveneinflüsse bedingt ist.“
Auch Kredel beweist die Häufigkeit der Spontanfrakturen in den
Diaphysenknochen tabischer Individuen „unbedingt, daß die Knochen aus
irgendwelchen Ursachen stellenweise ihre Widerstandsfähigkeit einbüßen,
brüchig werden und bei geringfügigen, äußeren Anlässen zerbrechen“. Es
liegt nach seiner Meinung nahe, nach den neueren Untersuchungen über
Degeneration peripherer Nerven bei Tabes die lokale Ursache solcher
Schädigungen in der Erkrankung der kleinen, die Knochen versorgenden
Nervenstämmchen zu suchen. Welcher Art aber diese Schädigungen sein
sollen, darüber bleibt Kredel die Antwort schuldig.
Die Stellungnahme Rotters und Kredels in der ätiologischen
Beurteilung der Spontanfrakturen muß befremdend erscheinen, da
beide sich als entschiedene Gegner einer neuropathischen Genese
der Arthropathie bekennen und eine Spezifität des tabischen Ge
lenkleidens leugnen, für deren Entstehung sie eine Arthritis de-
formans bezw. traumatische Arthritis als das Primäre verantwort
lich machen, die erst durch die Eigenart des Rückmarkleidens,
Analgesie und Inkoordination, einen so schweren Charakter an
nehmen.
Frick hält es für erwiesen, daß trophische Störungen, etwaige Ver
minderung des Gehaltes an Kalksalzen oder ähnliche Ursachen für eine
abnorme Brüchigkeit der Knochen in den meisten Fällen vermißt werden,
dagegen für völlig gerechtfertigt, diese Brüche mit Innervationsstörungen
in mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang zu bringen.
Büdinger räumt den tabischen Spontanfrakturen eine wesentlich brei
tere ätiologische Basis ein. Nach ihm entstehen dieselben ebensogut am
sklerotischen und hypertrophischen, wie am normalen und am rarefizierten
bezw. atrophischen Knochen. „Ein großer Teil entsteht einfach durch das