Behufs Fortsetzung der Keutnerschen Arbeit (siehe Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen,
Neue Folge, Band 8, Abt. Kiel 1905) stellte ich eine Anzahl Versuche mit Azotobacter aus der Ostsee
an. Im Verlaufe der Untersuchungen stellte sich heraus, daß die Versuche sich nicht anders gestalteten,
wenn statt des Azotobaciers aus der Ostsee der auf dem Festlande lebende verwandt wurde. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, daß der Azotobacter der Ostsee und der Azotobacter des festen Landes sich
wenigstens in den in Betracht kommenden physiologischen Eigenschaften identisch verhalten. Da dieser
schneller und bequemer zu erlangen ist, wurde er später in den meisten Fällen zum Impfen gebraucht.
Die an diesem gemachten Befunde können ohne Bedenken auf den marinen Azotobacter übertragen werden.
Es konnte zu einigen Untersuchungen nur der auf dem Festlande lebende Azotobacter Verwendung finden.
Es sei mir gestattet vorher einen kurzen Überblick über die einschlägige Literatur zu geben.
Seit den Mitteilungen Beijerincks 1 ) über das Vorkommen von Azotobacter chroococcum in
Holland ist dieser Spaltpilz in den verschiedensten Gegenden nachgewiesen worden, z. B. von Koch 8 ) in
Göttingen und im Dünensande von Juist, von Krüger 4 ) in Halle, von Gerlach und Vogel 4 ) in Posen,
von Stoklasa 5 ) in Böhmen, von Freudenreich 4 ) in der Schweiz, von Fischer 6 ) in Bonn, von Keutner 7 )
in der Ostsee, Nordsee, im Indischen Ozean, in Amani und Buitenzorg; ebenso hat Keutner Azotobacter
im Meeresschlick und auch im Süßwasserplankton aufgefunden. Die Beschaffenheit des Bodens scheint
keinen großen Einfluß auf das Vorkommen auszuüben, denn mit Ausnahme von Heidesand und Moor
boden ist Azotobacter in allen Böden angetroffen worden. Thiele 2 ) teilt mit, daß sämtliche Feldstücke
des Breslauer Versuchsfeldes Azotobacter enthielten, und zwar bis zu Tiefen von 50 und 60 cm; auch in
Wiesenboden hat er ihn gefunden, doch nicht in Moorboden. Interessant ist die Bemerkung, daß in einer
Bodenneubildung, wo noch Flechtenvegetation vorherrschte, während die Moosvegetation im Entstehen
war, das Vorhandensein von Azotobacter nicht festzustellen war.
Aus diesen Angaben darf man jedoch nicht schließen, daß Azotobacter überall dort, wo er vor
kommt, auch eine lebhafte stickstofffixierende Tätigkeit entfaltet. Unter anderen Forschern warnt auch
Thiele 2 ) davor, dem Azotobacter eine allzu große Bedeutung bei den Stickstoffumsetzungen in der Natur
zuzuschreiben, indem man von den günstigen Ergebnissen der Kultivierung im Laboratorium auf die
Wirkung im Boden schließt. Hier stehe ihm erstens nicht die Kohlenstoffquelle in solchen Konzentrationen
wie in den Nährlösungen zur Verfügung, sodann werde die optimale Temperatur von 20 bis 25° nur an
wenigen Tagen im Jahre erreicht, und schließlich seien meistens Stickstoffverbindungen im Boden vor
handen, die auf die Assimilationstätigkeit hemmend einwirken. Die Wirkungsweise von Azotobacter, meint
Thiele 2 ), sei uns gänzlich unbekannt, und es sei nicht unmöglich, daß Azotobacter im Laboratorium in
einen Hungerzustand versetzt und infolgedessen angeregt werde, von seinem Vermögen, den gasförmigen
Stickstoff zu verwerten, Gebrauch zu machen.
Für die Tätigkeit von Azotobacter und den übrigen stickstofffixierenden Bakterien ist die physi
kalische und chemische Beschaffenheit des Bodens von großer Bedeutung. Zunächst ist bei dem großen
Sauerstoffbedarf von Azotobacter (nach Stoklasa 5 ) atmet 1 g Azotobactermasse, berechnet auf Trocken
substanz, innerhalb 24 Stunden im Durchschnitt 1,2729 g CO2 aus) eine gute Durchlüftung und Auflockerung
des Bodens nötig. Die Erfahrung lehrt, daß gut bearbeitete Brache bessere Ernten liefert als nicht
*) Literaturangaben am Schluß der Arbeit.
Wissensch. Meeresuntersuchungen. K. Kommission Abteilung Kiel. Bd. 9.
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