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wirken besonders die Hochwasser auf die Siedelunsen
am Frischen Haff ein. Es entsteht dort im Früh
jahr jedesmal ein starker Eisgang, sobald die Nogat
mächtige Schmelzwasser und Regenmengen in das
Haff wirft. 1 )
Wie schnell auch immer diese Perioden des Eis
gangs beendet sein mögen, das wirtschaftliche Leben
der Fischersiedelungen und Verkehrsorte wird hier
durch immerhin empfindlich getroffen und der
Schaden, den die winterliche Eisbedeckung schon
verursacht hatte, nur noch vermehrt.
Im allgemeinen kann man sagen, dass die Ver
teilung der Niederschläge über das ganze Jahr, wie
es an der ganzen Nordsee- und dem westlichen
Teile der Ostseeküste geschieht, vorteilhaft für die
Landwirtschaft sei. Wo dagegen, wie in den Nie
derungen der Küste Hinterpommerns, die grössten
Regenmengen in den Erntemonaten Juli und August 2 )
fallen, wird die nach Ratzel so hochbemessene
volksverdichtende Wirkung der Regenhöhe aufge
hoben, dadurch dass das Einbringen der Ernte
erschwert ist, weshalb in diesen Strichen der reine
Ackerbau gegen die Feldgraskultur, die nicht so
viel Menschen nährt, zurücktreten muss.
Auch bezüglich der Ortslage auf erhöhtem
Gelände spielt der Niederschlag eine grosse Rolle,
nämlich da, wo eine Höhe steil zur See abfällt. An
diesen Küstenpartien stürzt in jedem Frühjahr eine
ziemliche Erdmasse auf den Strand herab. Ent
gegen der Meinung Lehmanns, 3 ) als ob diese Küsten
so weit einstürzten, als der Frost im Winter in sie
eingedrungen sei, glaubt Ratzel diesen Zerstörungs
prozess der Regenwirkung zuschreiben zu müssen.
’) Vgl. Segelhandbuch der Ostsee, S. 378.
2 ) Vgl. Lehmann: Das Küstengebiet Hinterpommerns,
S. 402.
3 ) Vgl. Lehmann: Pommerns Küste von der Divenow bis
zuin Darss, Breslau 1878, S. 3.