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eine Erweiterung des zugänglichen Erscheinungskomplexes gelangt.
Diese Hypothesen sind schließlich ganz unentbehrliche Hilfsmittel
der physikalischen Forschung.
Kartmann schließt in seiner Arsacheninduktion von einer Wirkung
(einem zugänglichen Erscheinungskomplex) auf eine Ursache mit
Kilfe einer aus früheren Induktionen oder formalen Deduktionen
geschöpften kausalen Gesetzmäßigkeit.
In der Wissenschaft ist es anders. In der Physik z. B. würde
die „aus früheren Induktionen oder formalen Deduktionen ge
schöpften Gesetzmäßigkeiten" nichts anderes sein als jene idealen
mechanischen Gesetze, die der Physiker, wo er Hypothesen bildet,
immer wieder verwendet. Wo bleibt aber die Arsache, auf die
geschlossen werden soll? Kier trennen sich die Wege Kartmanns
und die der physikalischen Wissenschaften. In der Physik biegt
das Verfahren bei dieser ideellen Gesetzmäßigkeit wieder um in die
physikalische Erscheinungswelt hinein, die Verifikation und Aus
beutung erfolgt. Die selbstgeschaffene kausale Gesetzmäßigkeit ist
die Arsache selbst, der primäre Komplex. Kartmann aber will über
diese kausale Gesetzmäßigkeit hinaus in das Wesen des in dieser
in Relation Stehenden eindringen: sein Ziel ist ein metaphysisches.
Die Kypothesenbildung der Physik ist eine bewußtseins-immanente
spekulative Tätigkeit, die es auf unsere Wirklichkeit abgesehen hat.
Kartmanns Kypothesenbildung will eine Induktion sein, die auf
eine transzendente Wirklichkeit leitet. Kartmanns Hypothesen sind
nicht imstande, das ihr zu Grunde liegende Erfahrungsmaterial zu
erweitern und zu vertiefen. Sie wollen nur erklären. Deswegen
stehen sie aus der Stufe der Gravitationshypothesen und können
auf Zulässigkeit keinen Anspruch machen. Die Bezeichnung „in
duktiv-naturwissenschaftlich" aber für sie ist völlig verfehlt und
irreführend?
Eine Bemerkung sei diesem Kapitel noch beigefügt. Die Physiker
sangen in den letzten Jahren an, das chemische Atom und seinen
Funklionskomplex zu verlassen und einen Äbergang auf einen
primäreren Komplex zu vollziehen, und zwar von einem Umfang
und einer Bedeutung, wie sie in der Physik zuvor nicht erlebt
1 Vgl. zu den Ausführungen dieses Kapitels: Wundt, Logik II, „Die
Logik der Naturwissenschaften", Siegwart, Logik II, S. 356—534, Riehl,
„Der philosophische Kritizismus II-".