Full text: Shadwell-Studien

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hat daher die antiken Zustände, die sich in den »Adelphen« 
widerspiegeln, nicht unverändert übernommen. Er hat ihnen 
vielmehr das Gepräge seiner Zeit und seines Landes gegeben. 
Indem er den Schauplatz der Haupthandlung nach Whitefriars, 
der einst unter dem Namen »Alsatia« berüchtigten Freistätte 
verlegte, bekam das ganze Stück ein speziell Londoner 
Lokalkolorit, das nicht ohne Interesse für den kulturgeschicht 
lichen Wert des Lustspiels ist. 1 ) 
II. Die Haupt,hau(Uiuig. 
Ein Hauptmangel in den »Adelphen« besteht darin, 
daß jenes Moment fehlt, das dem Spiele Lebendigkeit und 
Natürlichkeit verleiht und bei den Zuschauern Spannung 
hervorruft, die Iutrigue. 
»II n’y a presque point d’intrigue dans les Adelphes! 
ruft Voltaire*) mit Recht aus: Terenz läßt Aeschinus 
für den Bruder die Entführung unternehmen. Darauf nimmt 
jener freiwillig den Verdacht der Schuld auf sich und wird 
natürlich allgemein für den Schuldigen gehalten. Sein 
Oheim jedoch erfährt bald den wahren Sachverhalt. Die 
einzige Person, welche dann noch Verdacht hegt und danach 
handelt, ist der Vater. Bei ihm hat der Argwohn die un 
heilvollsten Folgen, denn sein gesamtes Tun und Denken 
steht fortan unter seinem Einflüsse. Dadurch begeht er 
manche Torheiten. Er wird zur komischen Person, zum 
eigentlichen Helden des Lustspiels. Seine falschen An 
schauungen und seine Schwächen werden vom Dichter ver 
spottet. Sobald sich der Verdacht des Vaters als falsch er 
weist und der wahre Schuldige entdeckt wird, ist die eigent 
liche Handlung in den »Adelphen« zu Ende. In dem Verdachte 
und seinen Folgen besteht die ganze Verwicklung der antiken 
Komödie! 
Von den Nachahmern des Terenz ist es Moliere ent 
schieden am besten gelungen, dem Mangel an Intrigue ab 
zuhelfen, und zwar dadurch, daß er an Stelle der Brüder * 2 
') Cf. p. 5 oben. 
2 ) a. a. 0. p. 642 ff.
	        
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