Full text: Zur Reform der Volksversicherung

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den Kassenmitgliedern rief ein Steigen der Leistungen der 
Kasse hervor, die Umlagen mußten entsprechend erhöht, 
beträchtliche Nachschüsse gefordert werden, der Zugang 
hörte gänzlich auf, gesunde und jüngere Mitglieder traten 
aus, für den erheblich zusammengeschmolzenen Rest wurden 
die Beiträge unerschwinglich: die Kasse konnte ihren Ver 
pflichtungen nicht mehr nachkommen und löste sich auf. 
Zu dem materiellen Schaden gesellten sich enttäuschte 
Hoffnungen, eine bedauerliche Erschütterung des Gemein 
sinnes, ein tiefes Mißtrauen gegen gesunde und gut fun 
dierte Versicherungsunternehmungen. Meist wurde der 
Zusammenbruch der Sterbekassen noch durch den Umstand 
beschleunigt, daß sich ihre Tätigkeit nur über ein räumlich 
eng begrenztes Gebiet, eine Gemeinde, einen Kreis, er 
streckte, wodurch nicht nur eine nachteilige Beschränkung 
der Freizügigkeit der Mitglieder hervorgerufen wurde, sondern 
auch das Grundprinzip einer jeden Versicherung, das Gesetz 
der großen Zahl, unwirksam blieb. Zwar haben einige 
wenige Sterbeladen auch bei gänzlich ungenügendem oder 
gar fehlendem Reservefond hundert Jahre und noch länger 
bestanden, Nutzen und Segen verbreitet und einen gesunden 
Gemeinsinn in der Bevölkerung geweckt und gepflegt; doch 
war das nur solchen Kassen möglich, bei denen sich die 
Mitgliedschaft durch Generationen gleichsam als Familien 
tradition forterbte, wodurch die in der Organisation liegenden 
Mängel paralysiert wurden. Die meisten der entstandenen 
lokalen Versicherungsvereine hingegen haben aus den ge 
nannten Ursachen nur ein kurzes Dasein zu fristen vermocht 
und weit mehr Schaden als Nutzen gebracht. Daher kon 
zessioniert das Kaiserliche Aufsichtsamt keine Sterbe- oder 
Pensionskasse, die zur Aufbringung der Leistungen das 
Umlageverfahren oder das System der Durchschnittsprämie 
wählt. 
Eine Gesundung der Verhältnisse im Sterbekassen 
wesen herbeizuführen ist das am 1. Januar 1902 in Kraft
	        
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