Full text: Ein Beitrag zur Frage der nosologischen Stellung der Hypochondrie

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Hypochondrie. Durch die dieser eigentümliche Verstimmung 
und die immer wieder auf die eigenen Empfindungen und 
Zustände gerichteten Vorstellungen und Befürchtungen werde 
ein so charakteristisches Krankheitsbild erzeugt, daß es 
richtiger erscheine, dieses als ein besonderes festzustellen. 
Auch Binswanger vertritt den Standpunkt, daß die 
Hypochondrie auf dem Boden der Neurasthenie erwachse, 
daß sie nur eine Verschärfung des Nervenleidens nach der 
psychischen Seite darstelle. Darum hält er es nicht für 
richtig, wenn man die Diagnose Hypochondrie stets durch 
die der Neurasthenie ersetze. Denn zu den beiden gemein 
schaftlichen Erscheinungen trete bei der Hypochondrie das 
psychopathologische Symptom der einseitigen fantastischen 
Verarbeitung der krankhaften Empfindungen zu hypochon 
drischen Wahnvorstellungen, sowie die Rückwirkung dieser 
auf die körperlichen Vorgänge. 
Kraft-Ebing hält fest an einer reinlichen Scheidung 
zwischen den beiden strittigen Krankheitsbildern und hebt 
zur Differentialdiagnose besonders folgendes hervor: Die 
Hypochondrie, deren Grundempfindung eine Hyperästhesie 
und Depression des Gemeingefühls ist, hat viele Berührungs 
punkte mit der Neurasthenie, da diese häufig den Ausgangs 
punkt für die hypochondrische Verstimmung und Wahn 
vorstellung bildet. Doch darf man beide Krankheitsformen 
keinesfalls zusammenwerfen, da es Fälle von Hypochondrie 
ohne Neurasthenie, von Neurasthenie ohne Hypochondrie gibt, 
wenn auch zugegeben werden muß, daß in der Regel die 
Furcht vor Krankheit eine wichtige Rolle in dem pathologischen 
Vorstellungskreis der Neurastheniker spielt. Dazu kommt, 
daß die scheinbar übereinstimmenden Absonderlichkeiten des 
Denkens und Empfindens bei beiden Leiden auf verschiedenen 
Wegen vermittelt werden: bei dem Hypochonder sind die 
abnormen Sensationen sekundäre, aus krankhafter Idee ent 
standene, beim Neurastheniker sind sie das Primäre und die 
krankhafte Idee gesellt sich zu ihnen als ein bewußt oder 
unbewußt unternommener Erklärungsversuch. 
Auch Raecke kommt in seiner Arbeit über die 
Hypochondrie zu dem Ergebnis, daß man die Krankheit als 
ein morbus sui generis beibehalten müsse. Er geht näher
	        
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