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Ein Einschnitt ist nicht gut; es kann von der Schnittfläche
der Sauerstoff der Luft jetzt mit den Mikroorganismen in Be
rührung treten, und ihnen so eine günstige Gelegenheit zur
Sporenbildung gegeben werden. Zur Herabminderung der
Druckverhältnisse, durch die Oedeme entstanden, wodurch die
Blutcirculation ganz erheblich behindert ist und Gangrän droht,
ist ein Einschnitt indiciert. Bei frischen Pusteln hat man eine
Exstirpation mit folgender Aetzung vorgenommen, bei alten
dagegen das Ferrum candens und parenchymatöse Injektionen
von Carbolsäure und Jod etc. in Vorschlag gebracht. Die
Erfahrungen der chirurgischen Klinik in Kiel haben ergeben,
daß bei dem Sitze der Pustel in der Nähe des Mundes eine
sofortige Exstirpation derselben angezeigt erscheint, da sonst
durch das herabfließende Secret leicht eine Infection des
Darmes und eventuell auch der Atmungsorgane stattfinden
kann und tötliche Gefahren für das Leben des Individuums
mit sich bringt.
Zum Schluß möchte ich noch die in neuerer Zeit geübte
intravenöse Injektion von Collargolum zur Behandlung des
Milzbrandes erwähnen.
Alle diese Fälle zeigen, daß, hat man es auch mit einer
schlimmen dem Leben gefahrbringenden Infection zu thun,
eine sachgemäße Behandlung, wie sie hier angewandt wurde,
wohl lebensrettende Wirkungen zeitigt.
Im Anschluß an die oben erwähnte Infection durch herab
fließendes Secret von Pusteln schließt sich eng an der Fall VIII.
Der ursprüngliche Sitz der Infection war am r. oberen Augenlid.
Das Oedem hat sich über die ganze r. Gesichtshälfte und über
den Hals verbreitet. Es wäre anzunehmen, daß das herab
fließende Secret in die Mundhöhle gelangt ist und von dort
den Kehlkopf, die Trachea und die Lunge befallen hat. Der
pathologische Befpnd spricht dafür.
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Zum Schlüsse dieser Arbeit ist es mir eine angenehme
Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimrat Prof.
Dr. Helferich für die liebenswürdige Ueberweisung der Arbeit
und Unterstützung meinen gehorsamsten Dank auszusprechen.