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Weder von hereditärer Belastung, noch von Tuberkulose
oder Lues des Patienten ist die Rede. Die Vorerkrankung
des Patienten an Ischias im Herbst 1906 kam bei dem
Aufnahmebefund gewissermaßen erschwerend für die Diag
nose „Paralyse“ in Betracht, insofern wir ja im Stadium
prodromale bezw. initiale der Paralyse wie der Tabes viel
fach schwere Neuralgien der Extremitätennerven beobachten,
als welche die Ischias zu betrachten ist. Der Sektions
befund läßt uns die Ischias wiederum in einem anderen
Lichte erscheinen. Da durch diese eine alte tuberkulöse
Erkrankung beider Lungen festgestellt wurde, so denkt
man an eine Entstehung der Ischias auf dem Boden einer
Neuritis tuberculosa, wie sie öfters im Verlaufe einer Tuber
kulose beobachtet wird. Geistige Überanstrengung, wie
sie bei dem Berufe des Patienten als Lehrer sicherlich
stattgefunden hat, spielt sowohl bei der Paralyse wie bei
der Meningitis eine wichtige ätiologische Rolle. Weit
wichtiger aber erscheint das psychische Verhalten des Pati
enten. Nach seiner Rückkehr von Wiesbaden zeigt er
Veränderungen in seinem Wesen. Er ist gleichgültig, stumpf
sinnig, schlafsüchtig, vergeßlich, spricht langsam, bringt
die Worte nicht richtig heraus, in den letzten Tagen vor
der Aufnahme wird der Gang langsam und schwankend,
der Mund zittert beim Sprechen, der ganze Körper fliegt
bei Aufregung, der Patient klagt viel über Kopfschmerz,
er nimmt ab. Es sind dies Krankheitserscheinungen, wie
wir sie im Beginn und Verlauf der Meningitis sowohl als
der Paralyse finden. Auffällig erscheint nur (für die Diag
nose Paralyse), daß von Charakterveränderung des Pati
enten in früherer Zeit nicht die Rede ist. Auch wenn
man von dem veränderten Wesen des Patienten in letzter
Zeit best, hat man nachträglich mehr den Eindruck, als
ob der von schwerem Kopfschmerz geplagte Patient mehr
Zeichen der Apathie als der Charakterveränderung im
Sinne einer Paralyse an den Tag gelegt hätte. Die anam