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Fall 3.
(Sektionsnummer 167, 1907.)
In diesem Fall handelt es sich um einen 4jährigen
Knaben. Nach Angabe der Angehörigen hat er seit 2 Jahren
den Urin nicht mehr halten können. Der Urin sei tropfen
weise abgeflossen; auch sollen Beschwerden beim Stuhl
lassen bestanden haben, der Mastdarm herausgetreten sein.
Ferner soll der Knabe viel an Durst gelitten haben. Seit
8 Tagen klagt das Kind über Schmerzen im Unterleib
verbunden mit Erbrechen. Es erfolgte daher am 1. II. 07.
die Aufnahme in die Königliche chirurgische Klinik zu Kiel.
Status: Mittelkräftiger Knabe mit frischer Gesichts
farbe. Brustorgane ohne krankhaften Befund. Abnorme
Druckempfindlichkeit unterhalb des Nabels über der Harn
blase. Der Harn träufelt tropfenweise ab. In ihm läßt
sich etwas Eiweiß, kein Zucker nachweisen. Mikroskopisch
enthält er viele Eiterkörperchen, vereinzelte Streptokokken
und andere Kokken. Das Röntgenbild ergibt keine Steine
der Blase. Die Blase steht bis zu Nabelhöhe. Kathe
terismus gelingt mit dünnem, umsponnenen Katheter. Die
Blase läßt sich völlig entleeren. Man fühlt keine Steine
in der Blase. Im Auge des Katheters haften einzelne
Gewebsfetzen; an ihnen mikroskopisch nichts Charakte
ristisches. Die rechte Nierengegend ist stark druckempfind
lich. Röntgenbild negativ. Nach Untersuchung in Nar
kose treten urämische Symptome auf, die aber durch ge
eignete Behandlung wieder beseitigt werden.
11. II. Operation. Sectio alta. Stark erweiterte Blase.
Orificium int. offen, bequem passierbar. Der Finger ge
langt in der pars prostatica in einen fast hühnereigroßen,
von Harnröhrenschleimhaut ausgekleideten Hohlraum. Der
Katheterismus von vorne zeigt, daß an der Grenze von
pars prost, und pars membran. ein Klappenven
til liegt, das den Ausfluß von Urin verhindert. Deshalb
Urethrotomia ext. An besagter Stelle findet sich eine