Nachdem im Jahre 1877 durch Bollinger die „eigen
tümlich strahligen Gebilde“, die von Langenbeck schon in
den vierziger Jahren beobachtet waren, als identisch mit dem
Actinomyces bovis, dem Erreger der bei Rindern, Schweinen
und Pferden schon länger bekannten Krankheitserscheinungen
(Holzzunge, Kieferkrebs) erkannt wurden, mehrten sich die Ver
öffentlichungen über Krankheitsfälle, die durch den Strahlenpilz,
über dessen botanische Stellung in der Bacteriologie viel ge
stritten ist, und der jetzt zu den Streptotricheen gerechnet wird,
sodass schon 1892 J11 ich 1 ) über 421 genau beobachtete Fälle
berichten konnte.
Pathologisch - anatomisch haben wir die Actinomycose als
einen chronisch entzündlichen, progressiv fortschreitenden Process
aufzufassen, der sich von den übrigen chronischen Infections-
krankheiten durch besondere Eigentümlichkeiten auszeichnet.
Unter Einfluss des Strahlenpilzes, eines makroscopisch sichtbaren
Gebildes, sehen wir eine entzündliche Neubildung Zustandekom
men, welche die Characteristica einer chronischen Infectionsge-
schwulst an sich trägt. Während aber bei den ihr nahestehenden
Processen, der Tuberculose und Syphilis, selten aus dem Granu
lationsgewebe Bindegewebe gebildet wird, sondern die Neubil
dung vorher zerfällt, durch Absterben der Bildungszellen, gehen
bei der Actinomycose beide Processe Hand in Hand, dass wir
neben der mächtigsten Bindegewebsbildung den umfangreichsten
Zerfall des primär gebildeten Gewebes sehen. 2 )
Die unleugbare, aus älteren und neueren statistischen Ar
beiten hervorgehende Tatsache, dass Personen, die in der Land-
') Jllich: „Beitrag zur Klinik der Actinomycose.“ Wien 1892.
2 ) Partsch: „Die Actinomycose des Menschen vom klinischen Stand
punkte aus besprochen. (Volkmanns Vorträge 806—307).