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Die Hysterie als Krankheit ist schon lange bekannt;
schon in den ältesten Aufzeichnungen über Krankheiten, bei
Celsus und Galen, finden wir hysterische Symptome
beschrieben. Jahrhundertelang blieb man sich unklar über
das innere Wesen der Krankheit; erst im 17. und 18. Jahr
hundert finden wir von Charles Lepois (1617) und
Sydenham (1757) gefestigte Ansichten aufgezeichnet: sie
haben erkannt, daß die Hysterie nicht, wie man früher
allgemein annahm, eine Erkrankung der Frauen sei, sondern
Mann und Weib in gleicher Weise daran erkranken können.
Briquet und seine Schüler Pitres, Richer de la Tourette
u. A. gewannen auf Grund ihrer Forschungen allmählich
die Anschauung, daß die Hysterie eine psychische Erkrankung
sei. Erst in neuerer Zeit wurde von Charkot und der
französischen Schule überhaupt der typische Symptomen-
komplex der Hysterie fixiert.
Charkot erkannte auch, daß der Tremor ein sehr
wichtiges und verhältnismäßig häufiges Symptom der Hy
sterie ist, nachdem schon de la Tourette und Pitres
Tremor bei Hysteriekranken beobachtet hatten. Er kann am
ganzen Körper Vorkommen und auch partiell beschränkt sein,
die eine Hälfte des Körpers befallen und sich auf eine Ex
tremität lokalisieren. Die'Vielseitigkeit der Hysterie selbst zeigt
sich auch in dem Symptom des Tremors. Charkot glaubte
das hysterische Zittern in die nach der Zahl der Oscillationen
in der Sekunde durchgeführte Klassifikation der Zitter
bewegungen anderer Erkrankungen einreihen zu können;
aber der hysterische Tremor hat bald langsamen, bald rapiden
Rhythmus,' ist mal schwach, mal heftig und kann alle Formen
des Zitterns bei organischen Erkrankungen des Nervensystems
und anderen funktionellen Neurosen Vortäuschen.
Wie schon erwähnt ist die Lokalisation des hysterischen
Tremors eine verschiedene. Zumeist beobachtet man ihn an
der oberen Extremität, dann an den unteren Extremitäten.
Andere Lokalisationen sind seltener. Schüttelbewegungen des