Full text: Über die englischen Marienklagen

54 
Ausgedehnt, z.T. monologisch, z.T. in Dialogform entwickelt, sind 
die Klagen der Coventry Plays (S). Sie stehen in einem gewissen 
Traditionszusammenhang, einem Ideenkreis, mit Bonaventura’s Me 
ditationen, der italienischen Devozione del Giovedl e’ del Yenerdl 
santo (it. LI, citiert nach der Ausgabe von Torraca) und der me. 
Prosacompassio X. 
In den Coventry-Spielen ist, wie in it. LI und me. X, Magdalena 
die Überbringerin der Unglücksnachricht. Der erste Schreck und 
Schmerz der Mutter löst sich in einer langen Klage (S. 286 f.) 
bis zur Ergebung in Gottes Willen. In keinem anderen Planctus 
zeigt Maria ein so inniges Empfinden, eine so tiefe und ergebene 
Liebe zu ihrem Sohn, zu dem sie aufblickt, ein Mensch zu Gott 
und doch seine Mutter. Der Gottesmutterkult, der in anderen 
Stücken dieses Cyclus so sehr hervortritt — hier ruht er, und 
gewiß zum Vorteil der poetischen Wirkung. Auch vor den Klagen 
der Towneley Plays behaupten die der Coventry-Spiele, vorzüglich 
der in Rede stehende erste, den Vorrang; 32 Langzeilen ohne 
Phrase und Flickwort, ohne Risse und Härte der Übergänge, von 
denen jene nicht ganz freizusprechen sind. Die dramatischen 
Höhepunkte des Planctus bilden die 3. und 8. Strophe: Marias 
plötzliche Furcht, sie könnte des Sohnes Leiden verschuldet haben 
und ihre Bitte um Erbarmen. Ihr erster Wunsch ist, ihr Herz 
möge brechen (cf. zu Q 399); dann fragt sie verzweifelt, warum 
der Schuldlose leidet, und diese Frage wird einen Augenblick 
zum Vorwurf gegen den wortbrüchigen Gott: O ffadyr of hefnel 
wher ben al thi behestys that thou promysyst me, whan a modyr 
thou me made? Sonst pflegt sie solche Worte an Gabriel zu 
richten (cf. zu Q 435); nur in X heißt es ganz ähnlich (455, 26) 
A, holy fader, where be J>i trewe behestis? why woldist J>ou ordeyn 
me to be a moder etc. — dann wendet Maria sich auch hier 
gegen Gabriel. Die 6. — 8. Strophe können aus Bonaventura 
entnommen sein. Man vergleiche : 
O good fadyr ! why woldyst [thou] that thin owyn dere sone 
xal sofre al this? 
And dede he nevyr ajens thi precept, but evyr was obe- 
dyent; 
Why wolt thou ... that it xal be so ?
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.