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Ausgedehnt, z.T. monologisch, z.T. in Dialogform entwickelt, sind
die Klagen der Coventry Plays (S). Sie stehen in einem gewissen
Traditionszusammenhang, einem Ideenkreis, mit Bonaventura’s Me
ditationen, der italienischen Devozione del Giovedl e’ del Yenerdl
santo (it. LI, citiert nach der Ausgabe von Torraca) und der me.
Prosacompassio X.
In den Coventry-Spielen ist, wie in it. LI und me. X, Magdalena
die Überbringerin der Unglücksnachricht. Der erste Schreck und
Schmerz der Mutter löst sich in einer langen Klage (S. 286 f.)
bis zur Ergebung in Gottes Willen. In keinem anderen Planctus
zeigt Maria ein so inniges Empfinden, eine so tiefe und ergebene
Liebe zu ihrem Sohn, zu dem sie aufblickt, ein Mensch zu Gott
und doch seine Mutter. Der Gottesmutterkult, der in anderen
Stücken dieses Cyclus so sehr hervortritt — hier ruht er, und
gewiß zum Vorteil der poetischen Wirkung. Auch vor den Klagen
der Towneley Plays behaupten die der Coventry-Spiele, vorzüglich
der in Rede stehende erste, den Vorrang; 32 Langzeilen ohne
Phrase und Flickwort, ohne Risse und Härte der Übergänge, von
denen jene nicht ganz freizusprechen sind. Die dramatischen
Höhepunkte des Planctus bilden die 3. und 8. Strophe: Marias
plötzliche Furcht, sie könnte des Sohnes Leiden verschuldet haben
und ihre Bitte um Erbarmen. Ihr erster Wunsch ist, ihr Herz
möge brechen (cf. zu Q 399); dann fragt sie verzweifelt, warum
der Schuldlose leidet, und diese Frage wird einen Augenblick
zum Vorwurf gegen den wortbrüchigen Gott: O ffadyr of hefnel
wher ben al thi behestys that thou promysyst me, whan a modyr
thou me made? Sonst pflegt sie solche Worte an Gabriel zu
richten (cf. zu Q 435); nur in X heißt es ganz ähnlich (455, 26)
A, holy fader, where be J>i trewe behestis? why woldist J>ou ordeyn
me to be a moder etc. — dann wendet Maria sich auch hier
gegen Gabriel. Die 6. — 8. Strophe können aus Bonaventura
entnommen sein. Man vergleiche :
O good fadyr ! why woldyst [thou] that thin owyn dere sone
xal sofre al this?
And dede he nevyr ajens thi precept, but evyr was obe-
dyent;
Why wolt thou ... that it xal be so ?