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als- solcher wäre höchst ungeschickt; die hier gegebenen Verse
könnten, mit verbindenden Bühnenanweisungen, ein kleines Drama
vorstellen. Doch liegt der Entwicklungsgang der Mkl. als Teil
des Dramas schwerlich in dieser Richtung; eher könnten die
großen Passionsspiele auch den einzelnen Mkl. Popularität ver
schafft haben. Es ist vielleicht mehr als Zufall, daß nur eine
Klage (Y) sicher älter ist, als die der York- und Towneley-Spiele;
seit der Mitte und 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts erst werden
die Mkl. in England häufiger.
Ich behandle in der herkömmlichen Reihenfolge die Klagen
der York-, Towneley-, Chester-, Coventry- und Digby-Spiele; letztere
Bezeichnung bezieht sich ebenso, wie bekanntlich die der “Towneley“-
Spiele, auf die Handschrift, nicht einen Aufführungsort. Während
die Mkl. der Chester Plays nur einen sehr geringen Raum einnimmt
und fast ohne Verknüpfung mit der Scene und wirkliche drama
tische Verwertung eingelegt erscheint, erreichen die Klagen der
Towneley- und vollends der Digby-Hs. beträchtlichen Umfang;
in dem “Play of the burial and resurrection of Christ“ der letzteren
steht die Gestalt der Maria in der Mitte und ihre Klagen machen
den Hauptteil des ganzen Stückes aus.
Das XXXIV. und XXXVI. Spiel des Cyclus von York (P),
“Christ let up to Calvary“ und “Mortificatio Christi“, 'Kreuztragung
und Tod Christi, stellen auch die Compassio dar und enthalten
Mkl., aber nur geringen Umfangs; im XXXV. Spiel, der eigent
lichen Kreuzigung, scheint Maria stumm geblieben zu sein. In
folge Verstümmelung der Hs. ist ihre herkömmliche Antwort auf
die durch Johannes überbrachte Unglücksnachricht fast ganz weg
gefallen ; wo die Hs. fortfährt, zeigt sie uns Jesus auf dem Wege
nach Golgatha, zu den Frauen — die drei Marien und seine
Mutter folgen ihm —• sprechend Luc. XXIII, 28—30; die Kriegs
knechte machen dieser Begegnung gewaltsam ein Ende. 1 ) Da
*) Da sowohl Johannes’ Botenrolle als M.’s Zurlickdrängung bei der
Kreuztragung traditionell recht oft erzählt werden (cf. oben zu N,G (S. 45) und
zu F 8 (S. 26)), so hat Kamann (Über Quellen und Sprache der York Plays.
Halle 1887. Nachträge zu den Quellen gab Holthausen Archiv LXXXV, 425 u.
LXXXVI, 280) Unrecht, zu behaupten, das 34. York-Spiel beruhe nur auf
Luc. XXIII.