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Weil sich der stoffliche Vorrat in sagen und märchen § 85
scheidet, muss eine einteilung der Schwertmotive in schwert
sagen und schwertmärchen vorgenommen werden. Dann
wird sich zeigen, was wir der sage, was wir dem märchen
zuzuweisen haben, und wie sich beide gattungen zuein
ander verhalten.
2. Die einzelnen motive.
a) Die einzelnen motive der neueren schwertmärchen.
Der held des märchens, meist ein dümmling, bekommt § 86.
ein schwert, das übernatürliche eigenschaften hat:
es verleiht dauernden sieg, tötet jeden, gegen den es gezückt
wird. Ein mythisches wesen, ein zwerg oder riese, setzt
als mittelsperson den helden in den besitz der waffe.
Die Verleihung erfolgt nicht freiwillig, sondern notgedrungen.
An die waffe ist das glück des betreffenden mannes gebunden.
Eine verzauberte jungfrau mit dem wunderschwerte aus der
gewalt feindlicher mächte zu befreien, ist meist die aufgabe,
welche der held zu lösen hat. Wie es bei dem stets glück
lichen ausgang des märchens nicht anders zu erwarten ist,
gelingt die tat. Die anderen wünscheldinge, die oft zu
sammen mit dem schwerte gewonnen werden (oder auch
dessen stelle vertreten), sind zu demselben zwecke vorhanden,
die märchenfigur zu macht und ansehen zu bringen. Wir
haben unter ihnen Zergliederungen des motivs von der hülfe
fremder mächte zu verstehen. Die typen des starken und
des klugen, denen die Unterstützung übernatürlicher kräfte
nicht fehlt, kommen zum ausdruck (vgl. Wundt, Völker
psychologie 2, 1, 351).
In zahlreichen märchen gelangt der held an ein tiefes
erdloch, in das er sich herunterlässt. Die höhle, die er
betritt, ist der sitz der unheimlichen mächte. Hier in der
unterweit bekommt er das zauberschwert. Aber nicht
ohne weiteres ist ein sterblicher fähig, diese waffe zu
benutzen, sondern erst ein zaubertrank verleiht ihm die
kraft dazu.