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Kuperan und der drache sind erscheinungen ein und der
selben sagenfigur. 1 )
§35. Das Sigfridslied gehört eng mit einem märchen-
typus zusammen, der noch besprochen werden wird. Auf
die ähnlichkeit der erzählung im liede mit den darstellungen
der märchen haben Raszmann (HS. I, 360 ff.) und Boer
(zfdph. 37, 319 f.) hingewiesen. Die erlösung einer ge
raubten jungfrau aus der gewalt eines drachen
durch ein besonderes Schwert ist die gemeinsame
formel. Auch im märchen verhilft ein zwerg oder riese wie
Kuperan im Sigfridsliede, von dem helden gezwungen, zu
dem zauberschwerte. Eine weitere Übereinstimmung zeigt
sich in der Örtlichkeit des kampfes, einer höhle.
§ 36. Zwei Überlieferungen, wie Sigfrid das schwert gewann,
besitzen wir in der deutschen sage: 1. Die waffe stammt
aus dem horte desNibelunc (so Nibelungenlied, Biterolf),
und von den uneinigen erben des verstorbenen empfängt sie
Sigfrid. 2. Der recke erhält das schwert aus dem horte
des drachen (so Rosengarten A, Sigfridslied. 2 ) Beide
Varianten lassen sich auf eine gemeinsame Überlieferung
zurückführen. Übereinstimmend ist die herkunft des Schwertes
aus einem unterirdischen horte, der kampf um seinen besitz
und die Zauberkraft der waffe. Aber noch mehr. Nach den
•ausfübrungen von Kauffmann (zfdph. 31, 5 ff.) haben wir so
wohl unter dem drachen als auch unter Nibelunc (= gr.
v e y. v c) einen verstorbenen zu verstehen, der in der grab-
kammer seinen hört hütet. Hierin ist der Ursprung des
hört- und schwertmärchens zu suchen. 8 ) Der drache und
Nibelunc-Kuperan sind anfänglich eins, und von diesem
unterirdischen hat Sigfrid das siegbringende, verhängnisvolle
schwert erhalten. 4 )
*; Über die hier vorliegende differeDzierung einer persou wird später
noch gehandelt werden. Vgl. auch Raszmann I, 140, Boer, zfdph. 37, 319.
2 j Zu dieser zweiten form stimmt die erzählung der Fäfnismpl
von der erwerbung des Schwertes Hrotti.
3 ) Eine audere ansicht vertrat Raszmann (Germ. 26, 279 11'.), indem
er Balmnnc allein dem Nibelungenhorte zuweiseu wollte.
*) vgl. zfdph. 31, 20 ff. Uhlaud, Sehr. I, 290. Golther (Germ. 34,
283) versucht, Balmunc und Gram zu identifizieren.