I.
Lautgeschichtliclicr Teil.
Kapitel 1.
Lautphysiologische Beschaffenheit des palatalen 1.
Unter Palatalisierung bezw. Mouillierung versteht man nach
Sievers, Grundzüge der Phonetik, Leipzig 1901, § 482, „die
Veränderung, welche ein beliebiger Laut [in unserem Falle das 1]
durch Anpassung an die Mundartikulation eines palatalen Vokals
(speziell oft i oder 1) erfahrt, d. h. durch eine dem Palatalvokal
entsprechende dorsale Erhebung der Vorderzunge. (Dazu gesellt
sich bisweilen eine spaltförmige Erweiterung der Lippen, mögen
diese geöffnet oder geschlossen sein.)“ Hierzu vgl. man noch
Sievers, a. a. O. §483: „Diese Palatalisierung kann eine durchge
hende sein, es kann sich aber zuweilen nur um bloße Ansätze
zu Palatalisierungen handeln, die bloß durch Gleitbewegungen
zur Palatalstellung hin hervorgebracht werden." Man vgl. auch
Jespersen, Lehrbuch der Phonetik, übersetzt von Hermann Davidsen,
Leipzig u. Berlin 1904, § 132: „Palatalisiertes [1] wird, was
Lippen, Zungenspitze, Gaumensegel und Stimme anbetrifft, wie
flaches (1) gebildet, aber der zärtliche Laut entsteht dadurch, daß
die Zungenfläche hinter der Berührungsstelle gegen den weichen
Gaumen zur (j)- oder (i-)Stellung gehoben ist.“ —
Das Latein der klassischen Zeit hatte die Neigung, Laute
zu palatalisieren, noch nicht, dagegen trat dieselbe bereits mehrfach
im Vulgärlatein der spätem Zeit auf.
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