Full text: Die Urteile Boileaus über die Dichter seiner Zeit

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Erwarten konnte man ferner, daß B. sich über den 
mißglückten Versuch Fenelon’s, die homerische Sprache 3 ) 
nachzuahmen, ausgesprochen hätte. Aber die Sprache Fdnelon’s 
war zu sehr die seiner Zeit und auch diejenige B.’s, als daß 
ihm die Sprache des Telemaque auffallen konnte. Auch 
wurde die schlichte Einfachheit Homers von B. nicht gewürdigt. 
Es erschien ihm gewiß vielmehr als ein Fortschritt, daß diese 
Einfachheit durch stilistische Kunstmittel 4 ) vermeintlich auf 
gebessert wurde. 
§ 48. Ein anderes, im Gegensatz zum Telemaque aber 
gänzlich unbedeutendes Machwerk, das auch einen lehrhaften 
Zweck verfolgte, wurde von B. sehr abfällig beurteilt. Es 
handelt sich um den allegorischen Roman »Macarise« des 
Abbe d’Aubignac. B ) Es war ein ebenso kraftloses Kunst 
produkt wie das Drama Zenobie, das derselbe Verfasser nach 
den pseudo-aristotelischen Regeln dichtete und das Victor 
Hugo 6 ) zu dem ironischen Ausruf veranlaßte: »Helas, 
d’Aubignac savait suivre les regles.« — Zu günstig vorein 
genommen für den Verfasser des »Pratique du Theätre« und 
den Gelehrten »de beaucoup de merite«, 7 ) hatte B. den 
Roman, den er wohl unvorsichtigerweise vorher nicht gelesen 
hatte, dem lesenden Publikum durch ein vorgedrucktes Epi 
gramm 8 ) wegen seines philosophischen Inhalts empfehlen 
wollen. (Epigr. XXVII.) 
Durch einen Zufall und zu B.’s späterer Genugtuung 
wurde dasselbe jedoch nicht mitgedruckt. (Lettre XXII ä 
Brosette du 9. avrd 1702.) 9 ) 
Kapitel VII. 
Boileaus Urteile über die Märchendichter 
seiner Zeit. 
§ 49. Als einzigen Vertreter der von B. beurteilten 
Märchendichter habe ich Charles Perrault 1 ) zu nennen. — 
Während B. in der berühmten »Querelle 2 ) des Anciens et 
des Modernes« gegen Perrault’s ästhetische Anschauungen 
das Wort oft genug ergriff, 3 ) zollte er dem Dichter der Märchen 
die gerade Perraults Ruhm begründeten, nur eine flüchtige
	        
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