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Abschnitt II.
Versuche mit lateinischen Vokabeln.
§ 16.
VersuchemitReproduktiondesGelernteninderursprüng-
lichen Reihenfolge.
Alle im vorigen Abschnitt gezogenen Folgerungen gelten nur unter
der Voraussetzung, daß die Versuchspersonen im Chore lernten. Es ist
aber kaum fraglich, daß einige oder vielleicht auch alle Vp. andere
Resultate liefern würden, wenn jeder für sich lernte. Ergänzende
Untersuchungen unter diesem Gesichtspunkte würden vielleicht wert
volle Beiträge zur Wertung des Lernens im Chore bieten; doch liegt
diese Frage zu weit ab von meinem Thema. Bei den folgenden Ver
suchen mit lateinischen Vokabeln jedoch ließ ich nur eine Person für
sich allein arbeiten.
Vp. war ein Knabe, mit dem ich das Pensum der VI. eines Gym
nasiums durchzuarbeiten hatte. Die trockene Arbeit des Vokabel-
erlernens ist für den geistig regen und phantasievollen Knaben eine un
angenehme Beschäftigung. Sein Gedächtnis für Vokabeln ist darum
auch nur mittelmäßig, während er z. B. Gedichte fast spielend erlernt.
Bei Beginn der Versuche war er eben 9 Jahre alt. Unterricht im
Lateinischen hatte er seit */* Jahr. In dieser Zeit hatte er die zu
lernenden Vokabeln in der Weise sich einzuprägen versucht, daß er sie
erst einige Male im Ganzen las und sie sich dann unter Zudecken der
lateinischen Wörter abfragte und die noch nicht behaltenen einzeln sich
einprägte, bis er alle zu wissen glaubte. Dieses in der Schulpraxis
beliebte Verfahren hatte er seinem älteren Bruder abgesehen.
Ich stellte zunächst 12 Versuchsreihen an, bei denen ich wieder das
G-, E- und M-Verfahren täglich wechseln ließ. Das M-Verfahren wollte
ich anfangs der Willkür des Schülers überlassen, doch wählte er dann
stets die G-Methode, offenbar, weil ihm diese bei den Vorversuchen am
meisten zugesagt hatte, während er gegen die E-Methode eine ent
schiedene Abneigung bezeigte. Ich mußte deshalb auch hier der M-
Methode eine bestimmte Form geben.
• Ich befahl ihm, die betreffenden Lernstücke erst fünfmal im Ganzen
und dann jede Vokabel fünfmal einzeln in Verbindung mit ihrer deut
schen Bedeutung zu lesen.
Hinsichtlich der Versuchszeit, der Einschränkung der Fehlerquellen,
der größtmöglichen Gleichmäßigkeit der Versuchs bedingungen und