Full text: Thomas Shadwell's Komödie "The Sullen Lovers" in ihrem Verhältnis zu Molière's Komödien "Le Misanthrope" und "Les Fâcheux"

VI. Kulturgeschichtliches. 
In kulturgeschichtlicher Hinsicht ist das Drama des 17. Jahr 
hunderts von der höchsten Bedeutung, weil man in ihm den 
Niederschlag der damals herrschenden Sitten, allerdings vornehm 
lich der vornehmen Gesellschaft, hat. 
Völlige moralische Zerrüttung ist das Charakteristische dieser 
Periode. Dieser sittliche Verfall war die notwendige Folge des 
allzu strengen moralischen Zwanges unter der voraufgehenden 
Herrschaft der Puritaner. 
Für das kulturgeschichtliche Bild erhalten wir aus „The 
Süllen Lovers“ etwa folgende Züge: 
Wie sehr der damaligen Welt der Massstab für die moralische 
Wertung abhanden gekommen war, zeigt deutlich der unbe 
anstandete Verkehr der Lady Vaine mit der züchtigen und 
ehrbaren Emilia. Sie gehört eben zur Aristokratie. Ob sie 
zugleich eine Dirne ist oder nicht, kommt für die moralische 
Wertung nicht in Betracht. Mit dieser Protegierung der 
Prostitution hängt der Verfall der Ehe, des wichtigsten Pfeilers 
eines jeden gesellschaftlichen Baus, zusammen. Diese scheint 
in der Tat bloss als Deckmantel gedient zu haben, unter dem 
sich nur noch besser sündigen liess. 1 ) Ebenso leichtfertig wie 
man sie schliesst, löst man sie wieder, ohne weitere For 
malitäten. 1 ) Der erste beste Geistliche ist stets bereit, den 
Akt der Trauung zu vollziehen. 1 ) Man heiratet eben nur nach 
Geld und Ansehen, eheliches Glück ist Nebensache. 1 ) Um sich 
das harte Joch der Ehe erträglicher zu machen, haben die meisten 
Frauen neben dem Gatten ihre geheimen Verehrer« 1 ) 
D S. „The Süllen Lovers“, Akt I, Szene 1; Akt V, Szene 2; Akt III, 
Szene 1; Akt V, Szene 2.
	        
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