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Machwerk des Oronte übt, und ebenso nachher den Verehrern
Celimenen’s gegenüber. Wenn man sich auch nach einigem Nach
denken sagen muss, dass solche Offenheit nur in den seltesten
Fällen am Platze ist, tut das unserer Hochachtung vor dieser
edlen Gestalt keinen Abbruch, und dieses Gefühl der Bewunderung
wird stets die Lachlust unterdrücken, die nur aus den Situationen
entspringt, in die ihn der Dichter versetzt. Vivier bemerkt sehr
richtig: 1 ) „C’est lä le sublime de cette piece que l’on puisse sourire
librement de la roideur d’Alceste sans cesser de l’admirer, que
möme cette derniere impression ddpasse de beaucoup le premier.“
Was hat Shadwell aus dieser Gestalt gemacht? Einen mürrischen,
nervös gereizten Menschenfeind, dem jegliche sittliche Begeisterung
fehlt. Es ist nicht so sehr die Schlechtigkeit seiner Mitmenschen,
die ihn in Verzweiflung bringt, die blosse Aufdringlichkeit von
Modegecken genügt, um ihm die ganze Welt zu verekeln. Im
Grunde ist sein Schmerz rein physischer Natur, und ein solcher
kann niemals einem Menschen jene Willenskraft verleihen, die die
Schwächen der Menschheit aufzudecken wagt. Dazu bedarf es
jener echten sittlichen Entrüstung. So kommt es, dass Stanford
während des ganzen Dramas eine schwache, mehr kleinliche Natur
ist, ohne höheren Schwung und ohne Energie. Ganz ähnlich ver
hält es sich mit Emilien, die nur das Seitenstück zu Stanford bildet.
Schon mehr wusste der Dichter mit Moliere’s Philinte an
zufangen. Im „Misanthrope“ ist er der echte Weltmann. Auch
er kennt genau die Schwächen der Menschheit. Doch haben
Lebenserfahrungen jene phlegmatische Ruhe bei ihm herausgebildet,
die die Welt nimmt, wie sie ist. Er weiss genau, wann er zu
sprechen und wann er zu schweigen hat, um Unannehmlichkeiten
aus dem Wege zu gehen. Shadwell macht aus ihm den echten
Lebemann, dem die allgemeine Verkommenheit der Sitten so
recht nach Wunsch ist: „Methinks it is as pretty an honest,
drinking, whoring age, as a man would wish to live in“. All
mählich scheint er doch dieses bewegten Lebens überdrüssig ge
worden zu sein und will sich deshalb in dem ruhigen Hafen der
Ehe vor Anker legen. Ganz ähnlich denkt Carolina, die ebenfalls
nur ein Seitenstück zu Lovel bildet.
i) Molieriste Vllf.: L’art de Moliere par Vivier.