Full text: Thomas Shadwell's Komödie "The Sullen Lovers" in ihrem Verhältnis zu Molière's Komödien "Le Misanthrope" und "Les Fâcheux"

V. Charaktere. 
Die im allgemeinen richtige Behauptung, dass die Kopie fast 
immer eine Herabsetzung des Originals bedeutet, wird durch einen 
Vergleich der Shadwell’schen Charaktere mit ihrer Vorlage be 
stätigt. Allerdings war es den englischen Dramatikern der da 
maligen Zeit garnicht so sehr darum zu tun, ihre Charaktere zu 
vertiefen. Die Zuschauer wollten nur leicht unterhalten sein. Man 
liebte nicht, viel zu denken und setzte auch bei anderen keine 
grossen Gedanken voraus. Die Hauptsache im Lustspiel waren 
möglichst drollige, noch besser, recht zweideutige Situationen, und 
recht alberne, schlüpfrige Reden. Durch die Rücksicht darauf 
litt nicht selten die Wahrscheinlichkeit der Handlung und der 
Charaktere. Taine sagt mit Recht: „Ils glissent ä la surface des 
choses, ils n’y penötrent pas. — Tout ce plaisir reste ä fleur de 
peau; on n’a rien du fonds naturel et de la vraie nature de l’homme; 
on n’emporte aucune pensee; on a passe une heure, et voilä tout; 
le divertissement vous laisse vide, et n’est pas bon que pour occuper 
des soirees de coquettes et de fats“. Bei Moliere dagegen beruht 
das Hauptinteresse auf der Seelenmalerei und Charakterdarstellung. 
Wie hat nicht die herrliche Gestalt des Alceste unter der Hand 
Shadwell’s an Würde verloren! Muss nicht jeder natürlich 
empfindende Mensch für Moliere’s Alceste die höchste Begeisterung 
empfinden und zugleich aufrichtigen Schmerz, wenn solch’ ein 
edler Charakter sich durch eine leichtfertige Kokette betrügen 
lässt? Die 'Grundstimmung seines Charakters ist Wahrhaftigkeit, 
die offen Front macht gegen die Lügenhaftigkeit und Heuchelei 
der Zeit. Überall wo er diese Schwächen findet,-* will er sie in 
ihrer nackten Hässlichkeit dem Gespött preisgeben. Und dieser 
Freimut ist kein leeres Salongeschwätz. Er beweist ihn auch in 
der Tat durch die unbarmherzige Kritik, die er an dem elenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.